Stadtleben in Kinderbüchern

Stadtleben in Kinderbüchern

So richtig Gedanken darüber, dass sehr viele Kinderbücher auf dem Land spielen, habe ich mir seit einem Besuch bei der BuchBerlin vor einigen Jahren gemacht. Dort habe ich wunderschöne Bücher von Baobabbooks und Edition Bracklo entdeckt, die mir sehr im Gedächtnis geblieben sind. Sie zeigen Kinderalltag in der Stadt, fernab von Ferien und Bauernhofidylle. Und sie zeigen auch Städte, die nicht im europäischen Westen liegen und Einblicke erlauben, die viele von uns so sonst nicht machen könnten. In dem preisgekrönten Bilderbuch aus China Zähnchen, Zähnchen, auf das Dach geht es um einen Brauch aus China, Milchzähne auf Dächer zu werfen, damit ein Kind groß und stark wird und gleichzeitig auch um den Wandel in einem Stadtviertel, in dem man lebt. Das Buch Juju und Jojô begleitet die beiden Zwillingsgeschwister durch ihren Stadtalltag und bei der Entdeckung eines Jabuticababaumes, der direkt vor ihrem Haus wächst.

Dass so viele Bücher, gerade für kleinere Kinder, auf dem Land spielen, ergibt durchaus Sinn, denn Tiere, die dort leben, sind ein beliebtes Thema und bieten viel Raum zum Entdecken. Auch kann das Land ein Sehnsuchtsort sein, verbunden mit schönen Erinnerungen, Ferien und vielen Freiheiten, die der Alltag so nicht immer erlaubt. Auch unser Erstlingswerk LANDTIERE widmet sich diesem Klassikerthema der Bilderbücher.

Trotzdem bildet das Landleben nicht den Erfahrungshorizont der meisten Kinder wieder. Ein Großteil von ihnen lebt in kleinen und großen Städten und macht dort ganz andere Erfahrungen als Kinder, die im ländlichen Raum aufwachsen. Deshalb finde ich auch Bücher, die dies zeigen, ganz wunderbar. Sie bieten für diese vielen Kinder eine Identifikationsfläche, auf welcher sie ihre Alltagsabenteuer wiederfinden. Denn Wege, Eindrücke und die vielen Menschen, die in einer Stadt zu Hause sind, prägen die Erlebnisse der Kindheit anders als auf dem Land. Die Stadt stellt sich hier als Handlungsraum dar, die Kinder bewegen sich und agieren in den Straßen und zwischen den Häusern und die Stadt ist auch selbst Teil der Geschichte. Für mich machen „Stadtgeschichten“ die Kinderbuchwelt noch bunter und diverser und nehmen noch mehr Kinder mit auf viele wunderschöne Buchreisen.

Im Eichhörnchenverlag sind übrigens kürzlich gleich zwei Bilderbücher für junge Stadtpflanzen erschienen: STADTSPAZIERGANG und UNTERWEGS von Karoline E. Löffler. Habt ihr sie schon entdeckt?

PS: Wir sind auch in diesem Jahr wieder bei der BuchBerlin dabei. Besucht uns doch gern! Die BuchBerlin findet in diesem Jahr am 17. und 18. September in der ARENA Berlin statt. Tickets gibt es hier.

Beitragsautorin: Katharina Schulze

Neben dem Glück, an der Entstehung Bücher des Eichhörnchenverlages beteiligt zu sein, habe ich auch einen kleinen Testleser zu Hause, der mit mir immer wieder unsere alten und neuen Lieblinge anschaut. Seit einiger Zeit nun erlebt mein Kind Bücher auch auf eine viel bewusstere Weise und genießt nicht nur die Farben und den Spaß beim Umblättern, sondern entdeckt auch ganz konkrete Tiere und Gegenstände darin.

Es bereitet mir große Freude, meinem Kind dabei zuzusehen, wie es sich mehr und mehr die Welt der Bücher erschließt und manchmal schon vertieft irgendwo in der Wohnung sitzt und konzentriert in einem Buch blättert. Die gelesenen Worte ergeben auf einmal Sinn und werden manchmal direkt in die Tat umgesetzt wie bei den MONSTERKINDERN: „Zwei kleine Monster kuscheln“. Und manchmal müssen wir nach dem Betrachten der LANDTIERE auch direkt die Oma anrufen, denn da gibt es tatsächlich einen Hund, der so ähnlich aussieht wie der von Oma.

Es ist auch immer wieder interessant, wenn wir ein neues Buch haben oder eines aus dem Bestand zum ersten Mal oder nach langer Zeit wieder anschauen zu beobachten, welche Dinge am faszinierendsten sind und am meisten begeistern. Für mich gänzlich unverständlich ist die frühe Liebe meines Kindes zu Autos. Gern sucht es diese in allen Büchern oder Zeitschriften und ist schon sehr enttäuscht, wenn in einem Buch keine zu sehen sind. Zum Glück fährt auch der KLEINE LÖWE WILLIAM an seinem aufregenden Tag ein kleines Rennen in seinem roten Flitzer. Vielleicht auch einmal ein Thema für ein Buch im Eichhörnchenverlag? Es bleibt spannend.

Wir wünschen euch ein wundervolles Wochenende, genießt das warme Wetter und ein schönes Buch!

Beitragsautorin: Katharina Schulze

Titelbild: Bücherregal, (c) Fotografie: Joseph Bergner.

Manchmal liegen in der ganzen Familie die Nerven blank. Dann ist der Moment gekommen, einen kleinen Urlaub einzuschieben.

So einen Moment hatten wir zum Ende der letzten Woche und deshalb haben wir beschlossen, eine spontane Pause zu machen.

Zugegeben: so ganz klappt das nicht, weil der Blog geschrieben werden möchte (wenn es auch spät geschieht) und weil die letzten Arbeiten am Adventskalender auf Hochtouren laufen und weil der frei werdende Kopf auch Lust macht, einige Verlagsprojekte mit neuem Elan voranzutreiben, aber ein wenig ruhiger lassen wir es doch angehen. Es bleibt Zeit für Tagesausflüge mit der Familie und auch für persönliche Herzensprojekte.

Eines dieser Projekte ist derzeit das Einreiten meines Pferdes Benvenuto Godot alias Togo. Ich mache diese Arbeit nicht selber, sondern habe sie in fähigere Hände gegeben, aber freitags fahre ich hin, lasse mir die Arbeit erklären, von den Fortschritten und Schwierigkeiten berichten und seit letzter Woche, sitze ich dann auch selbst auf meinem Pferd, das manche vielleicht schon aus unserem Bilderbuch Landtiere von Gerd Knappe und Susanne Haun kennen.

Gewaltvoll gezwungen wird unser Bilderbuchstar bei seiner Ausbildung übrigens nicht. (Denn ihn kann man nicht zwingen…) Physisch und psychisch gefordert und gefördert dagegen schon. Im Vergleich zu seiner Bilderbuchform wirkt er jetzt größer, er hat deutlich an Muskelmasse zugelegt und trägt seinen Körper auch anders. Sein Fell glänzt aber immer noch ebenso schön, wie zu der Zeit, als Thomas Lemnitzer die Fotos machte, die später zur Grundlage der Collagen von Susanne Haun wurden. Es ist ein wunderbarer Anblick.

In einer der Collagen Susanne Hauns, für die Togo Modell stand, findet sich das kuriose Detail des Pferdes im Pferd. Beim Vorlesen wundern sich manche Kinder darüber und fragen, was das zu bedeuten hat. Manche nehmen es aber auch kaum wahr oder finden es nicht weiter erwähnenswert, weil sie zum Beispiel davon ausgehen, dass es sich dabei um die Darstellung eines ungeborenen Fohlens handelt. Ich lasse das dann so stehen. Ich finde es schön, wenn Bilder viele und sehr unterschiedliche Geschichten erzählen können, die immer auch von den Betrachtern abhängen.

Pferd (mit Pferd im Pferd). Collage (c) Susanne Haun.

Meine Geschichte zu diesem Detail ist allerdings ein andere. Ich hatte zu dem Zeitpunkt als diese Bilder entstanden zwei Pferde. Das zweite Pferd hieß Lena und war die Mutter Togos. Die Künstlerin Susanne Haun wusste davon und hatte auch beide Pferde als fotografische Vorlagen für ihre Arbeiten vorliegen.

Die Stute Lena ist es, die ich in Susanne Hauns Zeichnung als Pferd im Pferd abgebildet sehe.

Zwei Pferde. Fotografie (c) Thomas Lemnitzer.

Mit dem Wissen um die genealogischen Zusammenhänge mutet es zunächst wie eine Irritation, eine Umkehrung der Verhältnisse an, wenn die Mutter im Sohn dargestellt ist. Ich finde es dennoch passend, denn es stimmt auch, dass ein Teil ihrer in ihm ist – in biologischer Hinsicht, aber auch in Bezug auf manche vielleicht eher erlernte Verhaltensweise. Gerade jetzt, wo wir neue Erfahrungen mit ihm als Reittier sammeln, wird mir diese Ähnlichkeit oft deutlich.

Für mich persönlich liegt auch etwas Tröstliches in diesem Bild, das deutlich macht, dass immer eines im anderen weiter lebt, denn die Stute Lena, die mich seit meinem elften Lebensjahr begleitet hat, lebt inzwischen nicht mehr. Das Bild Pferd (mit Pferd im Pferd) steht deshalb auch nicht, wie noch einige andere Bilder aus der Serie Landtiere von Susanne Haun zum Verkauf. Es befindet sich in meinem Privatbesitz.

In dieser Miniserie stellen wir euch einige Motive unserer neuen Postkarten vor. Die Serie beschäftigt sich mit sechs Motiven, die nicht oder nur unvollständig in unseren drei Büchern zu finden sind, obwohl sie doch bildschön und sehenswert sind! Hier soll erklärt werden, weshalb sie trotzdem nicht in den Büchern sind und auch, weshalb wir sie dennoch unbedingt zeigen wollen.

 

Die etwas anderen Landtiere

In den Jahren 2016 und 2017 schuf Susanne Haun im Auftrag des Eichhhörnchenverlags und unter Verwendung von Tierfotografien von Thomas Lemnitzer eine Anzahl von Collagen, die wir die Serie „Landtiere“ nennen. Die Serie umfasst 17 Einzelbilder alle im Format 40 x 30 cm. 13 dieser Bilder sind im Buch zu finden. Vier wurden von Verlagsseite für die Verwendung im Buch aus verschiedenen Gründen und mit zum Teil sehr schwerem Herzen abgelehnt. Die Katze und den Grashüpfer aus dieser Gruppe drucken wir nun auf Postkarten.

 

Das Bild ist eine Collage aus in Tusche gezeichneten und fotografischen Elementen. Es zeigt zwei Grashüpfer. Es wurde ausschließlich die Farbe Grün verwendet. Dadurch wird das Bild besonders reizvoll.

Grashüpfer aus der Serie „Landtiere“. 2017 (c) Collage von Susanne Haun.

Grashüpfer

Gelegentlich kam schon der Einwand, dass der Grashüpfer doch ein Tier sei, das sehr wohl auf dem Land zu finden, also ein Landtier ist und als solches doch wohl auch gut ins Buch gepasst hätte… Stimmt.
Trotzdem habe ich ihn für das Buch abgelehnt. Warum?
Wie bei der Katze, liegt auch hier die Antwort im Konzept für unsere Bilderbücher im Allgemeinen und das Bilderbuch Landtiere im Besonderen. Der Eichhörnchenverlag verfolgt bei der Konzeption und Erarbeitung seiner Bücher im Grunde drei Leitgedanken.

  1. Wir machen Bilderbücher für Babys und Kleinkinder. Unsere Bücher sollen darum so gestaltet sein, dass diese sie problemlos auf ihre Weise handhaben und benutzen können, also gewisse materielle Voraussetzungen erfüllen (Pappebuch).
  2. Die Bücher sollen außerdem so gestaltet sein, dass sie diesen kleinen Menschen Freude machen und das bedeutet auch, dass sie für die Kinder neben der materiellen Ebene auch auf textlicher und visueller Ebene zugänglich sein müssen.
  3. Die Bücher sollen so gestaltet sein, dass sie auch erwachsenen Personen nachhaltig Freude machen, damit auch sie nicht die Lust am gemeinsamen Vorlese- und Betrachtungserlebnis verlieren und sich zu diesen Gelegenheiten immer wieder gern auf ihre Kinder einlassen können.

Bei der Beschäftigung mit den Texten von Gerd Knappe im Buch, kann man feststellen, dass es sich durchaus um anspruchsvolle, mit sprachlicher Raffinesse und verschiedenen Metaebenen versehene Lyrik handelt. Wenn man dann aber auf die einzelnen gebrauchten Worte schaut, wird man außerdem sehen, dass es sich im Wesentlichen um „einfache Worte“ handelt. Sie sind kurz und einprägsam, es sind keine Fremdwörter darunter und sie sind alltäglich gebräuchlich. Aus diesem Grund und auch wegen der Sprachmelodie der Gedichte können auch kleine Kinder einen guten Zugang zu ihnen finden, ohne dabei schon das ganze gelernte Wissen von Sprache und Interpretation zu haben, dass mach ein*e erwachsene Leser*in mitbringt.

Ähnliche Ansprüche wie an die Texte stellten sich auch an die infrage kommenden Bilder. Die Landtiere sollten ja ein Buch werden, dass sich in die Reihe der ersten Tierbilderbücher eines Kindes eingliedern ließ. Es sollte auch ein Buch für Babys werden, die gerade erst anfangen, sich ihre ersten (visuellen) Begriffe zu bilden und das Erfahren von Bildern zu üben. Das Grün-in-Grün des Grashüpfers ist allerdings sehr schwer zu lesen und als Grashüpfer in seinem Lebensraum zu entdecken, wenn man noch kein großes mentales Formenrepertoire hat.

Nun kann es gelegentlich sehr reizvoll sein – sicher auch für kleine Kinder – sich über etwas zu wundern, etwas erst entschlüsseln zu müssen oder es sich von jemand anderem erklären zu lassen, aber spätestens für diese Erklärung braucht es ein gemeinsames Referenzsystem, damit sich ein Aha-Moment, ein Erkennen einstellen kann. Wenn ein kleines Kind nun die visuellen Herausforderungen des Bildes gemeistert hat, wie viele Grashüpfer hat es in seinem Leben wohl schon gesehen, um diesen speziellen Grashüpfer von Susanne Haun einordnen zu können?
Wie würde sich wohl das Gewicht und auch die Aufgabe des ganzen Buches verschieben, wenn ich nun sagte: Dann ist dies eben der erste Grashüpfer, den das Kind sieht und an welchem ich das Konzept „Grashüpfer“ diesem Kind erklären kann?
Ich denke, dass es für diese ersten Bilderbücher wichtig ist, dass die darin vorgestellten Dinge und Konzepte mit anderen Erfahrungen des Kindes abgeglichen werden können, weil es neben der geteilten Zeit und Zuwendung zwischen den Betrachtenden und Lesenden – ob gezielt gewollt oder eben nebenbei – immer auch um das Bilden und Üben von Begriffen geht. Darum kam der Grashüpfer nicht ins Buch.

Nichtsdestotrotz handelt es sich bei dem Grashüpfer unbedingt um ein Lieblingsbild! Gerade das monochrome Grün-in-Grün entspricht absolut und mit Witz den natürlichen Lebensumständen eines Grashüpfers, weshalb ich für sich genommen zustimme, dass es sich um eine sehr gelungene Arbeit Susannes Hauns handelt, die lebendig und ansprechend umgesetzt ist!
Aus diesem Grund freue ich mich auch jedes Mal sehr, wenn es mir bei Ausstellungen oder an diesem Wochenende bei der Landpartie in Roddahn in die Hände und vor die Augen kommt! Den Grashüpfer jetzt auch als Postkarte in der Hand halten zu können, ist ein weiteres Sahnebonbon!

Es liegen im Übrigen noch einige Fotografien Thomas Lemnitzers mit verschiedenen Insekten in unserem Fundus und Susanne hat wohl auch Spaß daran gefunden, sie zu zeichnen. Wer weiß also, vielleicht machen wir zu einem anderen Zeitpunkt doch noch ein Buch speziell mit diesen krabbeligen Gesellen. Bis dahin haben sich einige von ihnen aber auch in Landtiere eingeschlichen. Schmetterlinge, Regenwürmer und Fliegen zum Beispiel. Wenn euch das Thema interessiert, könnt ihr hier – speziell zur Fliege – mehr lesen.

PS: Die Postkarten sind in dieser Woche im Verlag angekommen und wie jedes Mal war es auch dieses Mal hochspannend. Wie würden sie aussehen? Wie würden sie sich anfühlen? Würden sie die erhoffte Qualität haben? Ja, sie haben sie! Sie sind wunderschön und sie können zu € 1,- das Stück in den Online-Shop bestellt werden. Am Sonntag in Roddahn könnt ihr sie auch direkt von uns erwerben.

In dieser Miniserie stellen wir euch einige Motive unserer neuen Postkarten vor. Die Serie beschäftigt sich mit sechs Motiven, die nicht oder nur unvollständig in unseren drei Büchern zu finden sind, obwohl sie doch bildschön und sehenswert sind! Hier soll erklärt werden, weshalb sie trotzdem nicht in den Büchern sind und auch, weshalb wir sie dennoch unbedingt zeigen wollen.

 

Die etwas anderen Landtiere

In den Jahren 2016 und 2017 schuf Susanne Haun im Auftrag des Eichhhörnchenverlags und unter Verwendung von Tierfotografien von Thomas Lemnitzer eine Anzahl von Collagen, die wir die Serie „Landtiere“ nennen. Die Serie umfasst 17 Einzelbilder alle im Format 40 x 30 cm. 13 dieser Bilder sind im Buch zu finden. Vier wurden von Verlagsseite für die Verwendung im Buch aus verschiedenen Gründen und mit zum Teil sehr schwerem Herzen abgelehnt. Die Katze und den Grashüpfer aus dieser Gruppe drucken wir nun auf Postkarten.

 

Katze

Die Katze wurde besonders mit Blick auf die linke Bildhälfte nicht in das Buch mitaufgenommen.

„Katze“. Aus der Serie „Landtiere“. Collage (c) Susanne Haun.

Das Bilderbuch Landtiere wurde von Anfang an so gedacht, dass es auf manche Reflexe, die sich in vielen Tierpappebüchern finden lassen, verzichten sollte. Wir wollten Tiere zeigen, wie sie spontan angetroffen werden können. Ungestellt und ungeputzt, in ihrer tatsächlichen Lebensumgebung. Sie durften ruhig Dreck im Fell und Fliegen an den Augen haben, krummbeinig und alt sein, wenn sie dies nun einmal waren. Jedenfalls sollten sie sie selbst sein dürfen, auch in den Bildern. Aus diesem Grund wurde bereits für die fotografischen Arbeiten am Buch bewusst darauf verzichtet, die Tiere in irgendeiner Form herzurichten oder in ein bestimmtes Setting zu versetzen. Es wurde auch keine Vorauswahl getroffen, welche Tiere fotografiert werden sollen. Die Vorgabe für den Fotografen lautete: Was dir vor die Linse kommt, fotografiere. (Weil er sich zu dieser Zeit in der Nachbarschaft des Verlags aufhielt – also in tiefer Brandenburger Provinz und in direkter Nachbarschaft zu einem Biobauernhof – war klar, dass es sich bei allem, was ihm begegnete, wohl um Land- und Bauernhoftiere handeln würde. 😉 )

Zu dem konzeptuellen Hintergrund des Buchprojektes gehörte auch der Verzicht darauf, die dargestellten Tiere zu vermenschlichen.

Selbstverständlich ist es im Grunde unmöglich, ein „unverfälschtes Abbild“ zu schaffen. Jedes Ding verändert sich, wenn es einen Betrachter hat und nichts kann wohl von einem Menschen gemacht und dennoch nicht menschelnd sein. In unserem Fall bedeutete dies zum Beispiel: Die Tiere ändern ihr Verhalten mit Bezug auf den Fotografen, wenden sich ihm etwa zu, wenn sie seiner gewahr werden; Die Zweidimensionalität des Produkts (auf Papier entwickelte Fotografie, Zeichnung auf Papier) kann unmöglich die ganze Körperlichkeit des Objektes (Tierkörper) wiedergeben; Die Künstler*innen bringen ihren eigenen Erfahrungshorizont / ihre eigene Ideenwelt in das Werk ein. Sie wählen Betrachterwinkel, Licht, Fokus, Bildausschnitt… haben Hände die bestimmte Formen schon oft auch an anderen Vorbildern geübt haben etc. Kurz: die Betrachtung der Tiere ist auch in diesem Buch natürlich immer eine menschliche und menschlich manipulierte.

Es ist nichtsdestotrotz ein ganz anderer Schritt der Darstellung eines Tieres ein bewusst menschliches Attribut mitzugeben. Weil die Katze in der linken Bildhälfte eine Perlenkette trägt, welche ein eindeutig menschliches Attribut ist, schien sie uns mit solchen Hintergedanken nicht so recht passend für dieses Buch.

Es ist im Übrigen ja nicht ungewöhnlich, dass Tiere in manchen Kinderbüchern vermenschlicht oder gar in eigentlich vollkommen menschlichen Rollen dargestellt werden – man denke nur an den Bilderbuchkosmos der Beatrix Potter! – und das hat auch gute Gründe! Nur hier, hier wollte es eben nicht so recht passen.

Eine Weile haben wir noch überlegt, ob wir zumindest Teile des Bildes, einen Ausschnitt auf einem Innentitel verwenden könnten, weil es uns schwergefallen ist, das Bild auszulassen. Dann haben wir viele verschiedene Pappebücher in die Hand genommen und ausprobiert, wie andere Verlage die Frage nach einem Innentitel gelöst haben und haben festgestellt, dass das ganze Konzept eines Innentitels für ein Pappebuch eigentlich überflüssig, wenn nicht gar störend ist und damit war die Katze dann erstmal in der Kiste verschwunden.

Ein weiterer Grund, weshalb wir die Katze nicht in das Buch aufgenommen haben, entspann sich wie folgt:
Natürlich nutzen wir die Gelegenheiten, die sich uns in unserem Alltag bieten, mit den Kindern die uns begegnen, über unsere Bücher zu sprechen. Auch vor Erscheinen der Bücher, lesen wir die Manuskripte gern vor, schauen die Bilder mit Kinder gemeinsam an, sprechen darüber oder beobachten einfach still, wie sie darauf reagieren. Dies ist einer der schönsten Teile unserer Arbeit! Als das Katzenbild fertig war, stellten wir fest, dass es manchen kleineren Kindern sehr schwerfiel, mit der Schwebesituation des Katzenkopfs umzugehen. Offenbar ist es für manch kleine Betrachter*in schwer, in solcher Art der Fragmentierung einen verständlichen Sinn zu finden, zumal sich der Abschnitt nicht durch einen Bildrand, eine Überlappung eines anderen Körpers oder sonst eine nachvollziehbare Grenze ergibt. Die Entschlüsselung von Abstraktionen und die Deutung dieser (zum Beispiel in transzendenten Zusammenhängen, wie viele erwachsene dieses Bild deuten) sind eben komplexe Fähigkeiten deren Erlernung bestimmt nicht in den ersten Pappebüchern erfolgt oder gar in die Wiege gelegt ist. Trotzdem sind Irritationen und Verwunderungen beim Entdecken der Welt natürlich gar nicht schlimm. Im Grunde sind sie sogar omnipräsent und können wunderbare Gesprächseinstiege und Gedankenspieleinstiege sein! Nur in die Gruppe der sonst im Buch versammelten Landtierebilder schien die Katze mit ihrem hohen Abstraktionsgrad wiederum nicht so recht passen zu wollen… Sie ist eben eher eine Eigenbrötlerin. 😉

Nun endlich haben wir aber unsere Katzenkiste in diesem Frühjahr wieder geöffnet und siehe da, es ward eine Postkarte und wir freuen uns sehr darauf, dieses schöne Motiv in die Welt zu schicken!

Seit gestern Abend könnt ihr nun auf unserer Künstlerseite auch ein kurzes Portrait des Fotografen Thomas Lemnitzer lesen und einige der Fotografien betrachten, die für das Bilderbuch LANDTIERE entstanden sind.

Wir nehmen das zum Anlass, einmal Danke zu sagen, denn seit die Idee zur Gründung des Eichhörnchenverlags geboren wurde, haben bereits viele Menschen viel Zeit und kreative Energie investiert, ohne dafür bisher eine Gegenleistung erwartet oder erhalten zu haben.

Danke also zu allererst an Susanne Haun und Thomas Lemnitzer, die ihre Erfahrung und ihr Können um der Kunst und der Kinder willen bereitgestellt haben. Die Bilder, die durch eure Arbeit entstanden sind, sind großartig und inspirierend! An dieser Stelle sei auch einmal darauf hingewiesen, dass keines der Bilder, die der Eichhörnchenverlag für sein Bilderbücher verwendet in dessen Besitz oder Eigentum übergeht. Es handelt sich vielmehr um einen Transfer bestimmter Verwendungsrechte. Das bedeutet, alle Bilder – die ja auch eigenständige Kunstwerke sind – können von den Künstlern direkt erworben werden.

Dank auch an die Künstler und Grafiker, die jetzt schon an den nächsten Buchideen und an einem Logo für den Eichhörnchenverlag arbeiten, ihre Namen hier aber erst sehen möchten, wenn sie auch bereit sind, ihre Werke der Öffentlichkeit zu zeigen. Hinter den Kulissen brodelt kreative Energie und das zu erleben ist befeuernd.

Dank an David Wischner für Rat und Tat unter anderem bei der Einrichtung und Betreuung der Homepage.

Dank an alle, die uns ihr Interesse schenken, die Rat geben, Kritik üben, Komplimente machen und Kontakte knüpfen. Besonderen Dank auch an jene Menschen, die bereits erste Bestellungen machen, denn dass euch unser erstes Buch schon heute so gut gefällt, dass ihr es mit euren Kinder, Kindeskindern und Freundeskindern… betrachten und lesen wollt, sobald es auf dem Markt ist, das ist nicht nur motivierend, sondern das Ziel und der Grund unserer Arbeit.

Danke!

Beitragsautorin: Nina A. Schuchardt

Das derzeitige Titelbild der Verlagshomepage zeigt zwei Hasen im Grün. Susanne Haun hat die Hasen in Tusche gezeichnet und lediglich das sie umgebende Grün aus Teilen von Thomas Lemnitzers Fotografien zusammengefügt und nochmals überzeichnet. Sie hat dafür vorwiegend solche Bereiche der Fotografien gewählt, die wegen ihrer Unschärfe malerisch und diffus wirken. Die einzige Ausnahme ist das Blattfragment in der rechten oberen Bildecke. Hier wurde die Fotografie einer Fliege verwendet, die so scharf ist, dass wir nicht nur den Schatten des Insekts sondern sogar einzelne Poren des Blattes, die Lichtreflexe auf den Flügeln der Fliege und Haare auf ihrem Hinterleib erkennen können. Der Effekt ist, dass die Fliege auf dem Bild täuschend echt wirkt und den Betrachter in Versuchung führen kann, sie für lebendig zu halten.
Ich nehme dies zum Anlass, im weiten Feld der Künstleranekdoten zu stöbern und euch die besonders schöne Rolle, die die Fliege darin spielt, vorzustellen.

Beide folgenden Texte sind dem Reader einer Vorlesung entnommen, die Professor  Wolf-Dietrich Löhr im Wintersemester 2012/13 an der Freien Universität Berlin las. Wolf-Dietrich Löhr ist ebenfalls Urheber der hier zitierten deutschen Übersetzungen. Die Vorlesung war nicht nur lehrreich sondern auch ausgesprochen unterhaltend, weshalb der Reader einen Umzug und den Fortgang des Lebens überhaupt, im Bücherregal überlebt hat.
Der erste Text entstammt einer Biografie des bekannten Bildhauers und Architekten Gianlorenzo Bernini (1598 – 1680), verfasst von Domenico Bernini dem Sohn desselben.
Im Vergleich mit der Kunst wird die Fliege in dieser Erzählung zum Träger eines geschickt verpackten Gotteslobes.

Domenico Bernini, Vita del Cavalier Gio. Lorenzo Bernino, 1713, Cap. 2:
»Et una volta fatto avvenne certamente degno per ogni capo di racconto.
Terminata la mensa, furono presentati al Pontefice [Alessandro VII]
diversi Ritratti in Pittura, e in Lapis lavorati da più insigni Professori di
Roma in rappresentazione di lui, chì in profilo, chì di faccia, chì a sedere,
chì in piedi. Eranolo soliti di assistere, e far corona al Principe in
quell’hora i maggiori Virtuosi di Roma, de’ cui discorsi egli si pasceva in
divertimento non men nobile, che dilettevole delle sue cure. Frà essi
sempre vi erano il Cardinal Sforza Pallavicino, e’l nostro Cavalier
Bernino. Hor’alla comparsa de’ sopranominati Ritratti ciascun dicendo la
sua opinione di qual più simile paresse all’Originale, che era quivi
presente, sopravenne a caso una Mosca sù la Tavola del Papa. E in
appena vederla, Questa, disse il Bernino, è più simile al Papa nel più
forte, e nel più bello, che ogni qualunque muto Ritratto di virtuosissimo
Pittore. Alessandro, e’l Pallavicino, che penetrarono subito il profondo
senso del Cavaliere, applaudirono incontanente al suo detto e nobilissimi
furono gl’insegnamenti di Filosofia, che in lungo discorso quindi dedusse
il Cardinale, dimostrando la uniformità del moto, l’attitudine delle parti,
la proporzione delle operazioni, e la sensibilità degli organi esterni, &
interni, co’ quali negli occulti principii molto più si assomigliava quel
vivente Animaluccio a quel vivo Monarca, che ogni qualunque insensata
tela di ben disposti, ma morti colori. Il che fu sommamente gradito e
applaudito dal Pontefice, la cui mente più gioiva in apprendere il vero,
che in dilettarsi del vago.«

Domenico Bernini, Lebensbeschreibung des Ritters Gio. Lorenzo
Bernini, 1713, Kap. 2:
»Und einmal geschah etwas, das in jeder Hinsicht wert ist, erzählt zu
werden. Nachdem das Mahl [Alexanders VII, seines Hofes und seiner
Gäste] beendet war, wurden dem Papst verschiedene sowohl gemalte als
auch gezeichnete Bildnisse präsentiert, die von den berühmtesten
Vertretern der Malkunst in Rom ausgeführt worden waren und ihn teils
im Profil teils frontal, teils sitzend und teils stehend darstellen sollten.
Die größten virtuosi Roms pflegten damals zu solchen Stunden den
Papst zu begleiten und ihn gleich einem Hofstaat zu umgeben, und er
weidete sich in nicht weniger edler als vergnüglicher Ablenkung von
seinen Sorgen an ihren Gesprächen. Unter ihnen waren immer auch der
Kardinal Sforza Pallavicino und unser Ritter Bernino. Als nun beim
Erscheinen der genannten Bildnisse jeder seine Meinung sagte, welches
dem Urbild, das ja dort zugegen war, am ähnlichsten erscheine, kam
durch Zufall eine Fliege auf die Tafel des Papstes. Und kaum, dass er sie
gesehen hatte, sagte Bernino Diese ist, indem sie stärker und schöner ist,
dem Papst ähnlicher als jedes andere stumme Bildnis eines trefflichsten
Malers. Alexander und Pallavicino, die den tiefen Sinn [der Worte] des
Ritters [Bernini] sogleich durchdrangen, applaudierten umgehend seinem
Ausspruch und die Lehrstücke der Philosophie, die der Kardinal in einer
langen Rede daraus ableitete, waren von erhabenster Art und bewiesen
die Einheit der Bewegung, die Stellung der Teile zueinander, die
Verhältnismäßigkeit der Handlungen und die Empfindsamkeit der
äußeren wie inneren Organe, durch welche jenes lebendige Tierlein in
seinen verborgenen Prinzipien dem lebenden Monarchen viel mehr
ähnelte, als jede sinnenlose Leinwand aus gut verteilten, aber toten
Farben. Dies alles wurde aufs Höchste vom Papst gebilligt und gelobt,
dessen Geist sich mehr daran erfreute, die Wahrheit zu lernen, als sich am
Schönen zu vergnügen.«

(Löhr, Wolf-Dietrich: Begriffe in Bewegung. Künstleranekdoten als erzählte Kunsttheorie 1300-1700. Reader zur Vorlesung. Berlin, Freie Universität, Kunsthistorisches Institut, WiSe 2012/13, S. 16f.)

Die zweite Anekdote wurde von dem Florentiner Maler, Architekten und Autor Giorgio Vasari (1511 – 1574) in dessen Le vite dei più eccellenti architetti, pittori et scultori italiani (in einer wunderbaren kommentierten Übersetzung erschienen im Verlag Klaus Wagenbach: Alessandro Nova (Hrsg.): Giorgio Vasari, Lebensbeschreibungen der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten. Deutsche Gesamtausgabe in neuer Übersetzung von Victoria Lorini, 45 Bände + Supplementband. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004–2015.) überliefert. Sie beschreibt den Maler Giotto di Bondone (1267 – 1337) als Meister seiner Kunst, der durch die Perfektion seiner Arbeit selbst in jungen Jahren schon das Auge seines Meisters täuschen konnte. Bei Vasari ist diese Anekdote in einem größeren Rahmen programmatisch zu verstehen, der mit den Viten auch eine kunstgeschichtliche Entwicklung aufzeichnet, als deren absoluten Höhepunkt er Michelangelo Buonarotti betrachtet. Giotto ist in dieser Erzählung der Anfang, der die “alte Zeit“ überwindet und jene (kunst-)historische Epoche einleitet, die wir heute Renaissance nennen. Löhr sieht ihn innerhalb der Erzählung Vasaris in der „Rolle des prophetischen Vorläufers“.
Die Fliege wird zum Symbol der künstlerisch-handwerklichen Fähigkeit Giottos und (mit den Augen Vasaris) auch der Überlegenheit der fortschrittlicheren neuen Kunst.

Giorgio Vasari, Le Vite …, [1586,] Vita di Giotto:
»Dicesi che stando Giotto ancor giovinetto con Cimabue, dipinse una
volta in sul naso d’una figura che esso Cimabue avea fatta una mosca
tanto naturale, che tornando il maestro per seguitare il lavoro, si rimise
più d’una volta a cacciarla con la mano pensando che fusse vera, prima
che s’accorgesse dell’errore. Potrei molte altre burle fatte da Giotto e
molte argute risposte raccontare, ma voglio che queste, le quali sono di
cose pertinenti all’arte, mi basti avere detto in questo luogo, rimettendo il
resto al detto Franco et altri.«

Giorgio Vasari, Lebensbeschreibungen …, [1568,] Leben des Giotto:
»Man sagt, dass Giotto als er noch jung war und bei Cimabue [in der
Werkstatt] war, einmal auf die Nase einer Figur jenes Cimabue derart
natürlich eine Fliege gemalt hatte, dass der Meister, als er zurückkam, um
die Arbeit fortzuführen, mehr als einmal ansetzte, um sie mit der Hand zu
verscheuchen, da er sie für echt hielt, bis er seinen Irrtum einsah. Ich
könnte noch viele weitere Scherze von Giotto und viele scharfsinnige
Antworten erzählen, aber es sollen diese genügen, welche von Dingen
handeln, die mit der Kunst zu tun haben, das übrige sei Franco
[Sacchetti] und den anderen überlassen.«

(Löhr, Wolf-Dietrich: Begriffe in Bewegung. Künstleranekdoten als erzählte Kunsttheorie 1300-1700. Reader zur Vorlesung. Berlin, Freie Universität, Kunsthistorisches Institut, WiSe 2012/13, S. 10f.)

Allen, die über solche und andere Künstlerscherze schmunzeln können, kann ich im Übrigen nur empfehlen, ins Museum zu gehen, zum Beispiel in die Berliner Gemäldegalerie! Dort findet ihr zahlreich solche gemalten Scherze und Kunstgriffe, wenn ihr nur genau hinschaut! Es erwarten euch verschiedene Insekten, Früchte, die aus dem Bild quellen wollen und Füße, die scheinbar aus dem Rahmen treten. Sie sollen uns die Kunstfertigkeit des Künstlers vor Augen führen, zeigen aber auch ihre Grenzen. Sie dienen uns – den Betrachtern – als Brücken und Einstiege in die gemalte Erzählung und laden uns ein, über die Relation von unserer erlebten Realität und der Bildrealität nachzusinnen! Für den literarischen Genuss kann ich außerdem die im Bild gezeigten Publikationen als Sammlungen erbaulicher Bonbons für Zwischendurch empfehlen…

Hasen. Collage (c) Susanne Haun.
Kuh mit Fliege. Collage (c) Susanne Haun.
Zum weiter lesen!