Fotografie

Fotografie

Die Fotografie ist eine Kunstform, mit der ich mich bisher nicht allzu viel auseinandergesetzt habe. Ja, fast schon könnte man sagen, meine persönliche Aufmerksamkeit hat sie bisher sträflich vernachlässigt…

Dachte ich.

Dieses Jahr hat mir gezeigt, dass diese Wahrnehmung nicht nur nicht stimmt, sondern vor allem auch, dass ich Lust  habe, mich mehr mit dieser Kunstform zu beschäftigen. Von den fotografischen Begegnungen dieses Jahres und den Wegen, die ihnen nun vielleicht folgen, handelt dieser Beitrag.

Im April diesen Jahres war ich in Cork, wo just zu derselben Zeit das Cork Photo 2018 im Gange war, ein Festival für zeitgenössische Fotografie mit Ausstellungen in der ganzen Stadt. Ein Glücksfall! Ein noch größeres Glück war es, dass ich dort die Fotografin Izabela Szczutkowska, die das Festival mitorganisiert hatte, mich in einige der Ausstellungen begleitete und auch den ein oder anderen Verständnisschlüssel für mich bereithielt!

Diese Erfahrung nahm ich mit nach Hause, wo ich kurz darauf eine Ausstellung des Berliner Fotografen Danny Prusseit kuratieren und eröffnen durfte. Zum ersten Mal in meinem Leben eröffnete mir diese Ausstellung zusammen mit den in Cork gesammelten Erfahrungen einen Einblick in die Faszination der Porträtfotografie.

 

 

Den Fotografen und seine Arbeit beschrieb ich in der Laudatio übrigens so:

“Danny Prusseit hat sich auf Porträt- und Landschaftsfotografie spezialisiert. Beide Gattungen finden Sie hier in der Ausstellung. In Danny Prusseits Fall allerdings habe ich den Eindruck, dass die Grenzen zwischen den beiden Bildgattungen in vielen Punkten zu vernachlässigen sind, dass es sich eigentlich um ein und dieselbe Sache handelt. In den Landschaften ist vielleicht ein wenig mehr Selbstspiegel enthalten, aber die Behandlung des Motivs scheint nahezu gleich.

Der Fotograf selbst nennt es die Suche nach Ruhe und Reduktion auf das Wesentliche, die sich unter anderem in seinem Arbeiten in s/w ausdrückt, in immer wiederkehrenden klaren Linien und Kontrasten, klassischen Bildkompositionen und natürlich in der Auswahl und Behandlung der Motive.”

Wenig später durfte ich gleich noch eine andere Fotografieausstellung eröffnen und langsam sickerte die Erkenntnis durch, dass die Fotografie nun doch dabei war, einen größeren Teil meiner Aufmerksamkeit dauerhaft zu beanspruchen.

 

Blick in die Ausstellungseröffnung “Paare” von Sergej Horovitz. (c) privat.

 

Der Fotograf Sergej Horovitz, dessen Ausstellung es war, beschäftigt sich kaum mit Porträtfotografie, auch nicht mit Landschaften, seine Arbeiten gehen oft eher in die Richtung von Stillleben, aber – was für mich als Hadernde besonders spannend war – er lotet auch grundsätzlich immer wieder die Grenzen und (technischen) Möglichkeiten der Fotografie aus. Über ihn sagte ich unter anderem:

“Die Künstlerpersönlichkeit ist es, die die Möglichkeiten eines Mediums ausloten und auch seine Grenzen sprengen kann.

Diese Tatsache können wir besonders gut an der Serie “Stadtpflanzen” beobachten. Wer an Sergej Horovitz’ Bilder herantritt und etwas mit dem Betrachtungswinkel spielt, wird feststellen, dass sie mit Begriffen geprägt sind. Mit diesem Arbeitsschritt sucht der Künstler einerseits die Flächigkeit der Fotografie zu durchbrechen und fügt den Bildern andererseits eine neue Bedeutungsebene hinzu.”

und

“Die Serie „Paare“ mag Ihnen zunächst still und unbelebt erscheinen, aber auch davon lassen sie sich nicht täuschen! Holz – wird Ihnen beim zweiten Gedankengang einfallen – ist ein lebendiges Material, es wird von lebendigen, hochkomplexen Organismen, von Bäumen gewonnen.

Auf den zweiten Blick werden Ihnen vielleicht auch die Tiere auffallen, die auf manchen der Hölzer arrangiert sind und Sie werden ins Grübeln kommen.

In Wirklichkeit, werden Sie feststellen, menschelt die Serie sehr.

Sie werden, wenn Sie mit wachem Blick und Verstand durch die Ausstellung wandern, feststellen, dass der Eindruck, es handle sich bei den Bildern um die immer gleiche Wiederholung des Motivs Paar, ein trügerischer Eindruck ist.

Manche dieser Paare sind tatsächlich eigentlich eins, manche teilen nur eine gemeinsame Geschichte, die sie einander angeglichen hat, manche scheinen nur so, als seien sie einmal eins gewesen, sodass unsere Wahrnehmung ihrer als Paar in dem Moment ihrer Entlarvung in Stücke springen muss.

Der Künstler allein hat sie uns so arrangiert, dass sie als Paar erscheinen. Er hat uns hinters Licht geführt, auch unsere Manipulierbarkeit vorgeführt unsere Urteilskompetenz infrage gestellt. Womit lässt uns das zurück?”

Mich haben diese Erfahrungen mit mehr Lust auf Fotografie zurückgelassen!

Zuletzt habe ich deshalb – wieder einmal – die Autobiografie Helmut Newtons gelesen (sehr unterhaltsam!) und dabei auch festgestellt, dass mein Glaube, ich hätte mich bisher nie mit Fotografie beschäftigt, gar nicht stimmt. Die Autobiografie und auch einen Bildband (Newton, Helmut: Autobiographie. München 2005. (Goldmann), Felix, Zdenek [Hrsg.]: The Best of Helmut Newton. München, Paris, London 1993. (Schirmer/Mosel)) habe ich zu meinem 10. Klasse Abschluss geschenkt bekommen und meine Bekanntschaft mit dem Werk Helmut Newtons reicht schon in meine frühe Kindheit zurück! Bei der weiteren Kontemplation des Themas ist außerdem noch etwas anderes eingefallen. Auch meine allererste Bildbeschreibung und Bildinterpretation schrieb ich über eine Fotografie. Es war dieses Bild von Henri Cartier-Bresson.

 

Henri Cartier-Bresson: FRANCE. Paris. Place de l’Europe. Gare Saint Lazare. 1932.

 

Folgerichtig wird mich mein nächster Museumsbesuch in das Museum für Fotografie in Berlin führen. Ob ich mein Kind mitnehme, weiß ich allerdings noch nicht. Nicht wegen der vielen Aktfotografien aus dem Nachlass Helmut Newtons, da habe ich keine Bedenken, sondern weil das Kind jedwedes Bild in schwarz-weiß rundheraus ablehnt. Sämtliche Bilder in schwarz-weiß seien langweilig bis hässlich, solche Ausstellungen schaut es sich gar nicht erst an…

Hat jemand unter euch Lust, mich zu begleiten?

 

Im Beitragsheader abgebildete Bücher:

Harris, Mark Edward: Gesichter des zwanzigsten Jahrhunderts. Meisterfotografen und ihr Werk. Weingarten 1998. (Weingarten)

Felix, Zdenek [Hrsg.]: The Best of Helmut Newton. München, Paris, London 1993. (Schirmer/Mosel)

Heiting, Manfred [Hrsg.]: Helmut Newton. Work. Köln 2000. (Taschen)

Manchmal liegen in der ganzen Familie die Nerven blank. Dann ist der Moment gekommen, einen kleinen Urlaub einzuschieben.

So einen Moment hatten wir zum Ende der letzten Woche und deshalb haben wir beschlossen, eine spontane Pause zu machen.

Zugegeben: so ganz klappt das nicht, weil der Blog geschrieben werden möchte (wenn es auch spät geschieht) und weil die letzten Arbeiten am Adventskalender auf Hochtouren laufen und weil der frei werdende Kopf auch Lust macht, einige Verlagsprojekte mit neuem Elan voranzutreiben, aber ein wenig ruhiger lassen wir es doch angehen. Es bleibt Zeit für Tagesausflüge mit der Familie und auch für persönliche Herzensprojekte.

Eines dieser Projekte ist derzeit das Einreiten meines Pferdes Benvenuto Godot alias Togo. Ich mache diese Arbeit nicht selber, sondern habe sie in fähigere Hände gegeben, aber freitags fahre ich hin, lasse mir die Arbeit erklären, von den Fortschritten und Schwierigkeiten berichten und seit letzter Woche, sitze ich dann auch selbst auf meinem Pferd, das manche vielleicht schon aus unserem Bilderbuch Landtiere von Gerd Knappe und Susanne Haun kennen.

Gewaltvoll gezwungen wird unser Bilderbuchstar bei seiner Ausbildung übrigens nicht. (Denn ihn kann man nicht zwingen…) Physisch und psychisch gefordert und gefördert dagegen schon. Im Vergleich zu seiner Bilderbuchform wirkt er jetzt größer, er hat deutlich an Muskelmasse zugelegt und trägt seinen Körper auch anders. Sein Fell glänzt aber immer noch ebenso schön, wie zu der Zeit, als Thomas Lemnitzer die Fotos machte, die später zur Grundlage der Collagen von Susanne Haun wurden. Es ist ein wunderbarer Anblick.

In einer der Collagen Susanne Hauns, für die Togo Modell stand, findet sich das kuriose Detail des Pferdes im Pferd. Beim Vorlesen wundern sich manche Kinder darüber und fragen, was das zu bedeuten hat. Manche nehmen es aber auch kaum wahr oder finden es nicht weiter erwähnenswert, weil sie zum Beispiel davon ausgehen, dass es sich dabei um die Darstellung eines ungeborenen Fohlens handelt. Ich lasse das dann so stehen. Ich finde es schön, wenn Bilder viele und sehr unterschiedliche Geschichten erzählen können, die immer auch von den Betrachtern abhängen.

Pferd (mit Pferd im Pferd). Collage (c) Susanne Haun.

Meine Geschichte zu diesem Detail ist allerdings ein andere. Ich hatte zu dem Zeitpunkt als diese Bilder entstanden zwei Pferde. Das zweite Pferd hieß Lena und war die Mutter Togos. Die Künstlerin Susanne Haun wusste davon und hatte auch beide Pferde als fotografische Vorlagen für ihre Arbeiten vorliegen.

Die Stute Lena ist es, die ich in Susanne Hauns Zeichnung als Pferd im Pferd abgebildet sehe.

Zwei Pferde. Fotografie (c) Thomas Lemnitzer.

Mit dem Wissen um die genealogischen Zusammenhänge mutet es zunächst wie eine Irritation, eine Umkehrung der Verhältnisse an, wenn die Mutter im Sohn dargestellt ist. Ich finde es dennoch passend, denn es stimmt auch, dass ein Teil ihrer in ihm ist – in biologischer Hinsicht, aber auch in Bezug auf manche vielleicht eher erlernte Verhaltensweise. Gerade jetzt, wo wir neue Erfahrungen mit ihm als Reittier sammeln, wird mir diese Ähnlichkeit oft deutlich.

Für mich persönlich liegt auch etwas Tröstliches in diesem Bild, das deutlich macht, dass immer eines im anderen weiter lebt, denn die Stute Lena, die mich seit meinem elften Lebensjahr begleitet hat, lebt inzwischen nicht mehr. Das Bild Pferd (mit Pferd im Pferd) steht deshalb auch nicht, wie noch einige andere Bilder aus der Serie Landtiere von Susanne Haun zum Verkauf. Es befindet sich in meinem Privatbesitz.