Lieblingskinderbücher Nr. 3 – Mamas Leporello

Lieblingskinderbücher Nr. 3 – Mamas Leporello

Unter meinen persönlichen Lieblingsbüchern findet sich ein ganz besonderes Bilderbuch. Meine Mama hat es für mich gemacht, als ich noch ein Kind war. An der Seite mit den Elefanten und dem Krokodil war ich wohl auch selbst beteiligt. Vielleicht war ich es auch, die die Schäferhunde ausgesucht hat? Ich habe keine klare Erinnerung mehr daran.
Es handelt sich eigentlich weniger um ein Bilderbuch, als um ein Leporello (od. Faltbuch). Die einzelnen Glieder bestehen aus je zwei dünnen, aneinander geklebten Pappen, welche mit, zuvor mit Kleber bestrichenen, Textilbändern verbunden sind. Dadurch sind die einzelnen Glieder sehr fest, bleiben aber hervorragend faltbar. Die einzelnen Seiten wurden zuletzt mit Collagen aus Magazinausschnitten beklebt.

Dieses Bilderbuch kommt (fast) ganz ohne Text aus. Auf acht Seiten zeigt es acht wunderschöne Bilder. Jedes für sich eine ganz eigene Welt, jedes eine eigene Erzählung. Ich liebe es sehr!
Durch seine Auffaltbarkeit und seine an einen Hausgiebel erinnernde Form eignet es sich auch sehr gut als Kulisse bei einem Spiel mit kleinen Puppen oder Figuren. Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich allerdings nicht erinnern, ob ich es wirklich jemals als solche benutzt habe. Vielleicht spielt mein Gedächtnis mir auch eine spätere Imagination als vermeintliche Erinnerung vor.

Überhaupt sind Erfreuen, Vergessen, Erinnern und Imaginieren bei diesem Buch zu einem wiederkehrenden Kreislauf geworden. Auch das macht heute seinen Zauber für mich aus. Immer wieder habe ich Phasen in meinem Leben, in welchen dieses besondere Buch für mich sehr präsent wird. Als identitätskriselnder Teenager hatte ich solch eine Phase und auch als junge Erwachsene, als ich nach Berlin zog. Damals bekam ich viele Kisten mit meinen alten Sachen (insb. Bücher 😉 ) mit auf den Weg, die nicht mehr auf dem mütterlichen Dachboden verbleiben sollten. Danach kam es wieder, als meine Tochter geboren wurde und nun mit der Gründung des Eichhörnchenverlags.
Das repetitive Auftauchen dieses Buches scheint in der Reflexion wie ein sehr langsamer aber steter Pulsschlag in meinem bisherigen Leben. Es ist eines jener Lieblingsbücher, die wirklich bleiben.

In dieser Woche war Antje Rother bei uns im Haus, um im direkten Dialog das Layout für die Landtiere zu entwickeln.
Im Sinne der Veranschaulichung und (haptischen) Begreifbarkeit wurde geschnitten, gelegt und geklebt. Ein Dummy entstand, der zwar noch nicht im eigentlichen Sinne schön, aber nichtsdestotrotz wegweisend ist.
Immer wieder kamen während des Prozesses verschiedene Fragen auf. Steht die Reihenfolge der Bilder unverrückbar fest? Können gelegentlich zusätzliche Zeilenumbrüche in die Verse eingefügt werden, um ihre Lesbarkeit, ihre Erfassbarkeit für das Auge zu verbessern, oder zerstört das die Poesie? Wie groß genau soll das Buch werden und was ist eigentlich der genaue Unterschied bei der Bindung eines Pappebuchs gegenüber der Bindung eines Papierbuches? Solche Fragen sofort und persönlich und zuweilen in größerer Runde besprechen zu können und nicht wie bisher auf das Telefon, E-Mail und WhatsApp zurückgreifen zu müssen, war ausgesprochen angenehm, fruchtbar und auch schneller. Außerdem war es hilfreich, die Originale betrachten zu können und so wurden Konzeptideen mit technischem Wissen und vielen unterschiedlichen Erfahrungen in Bezug auf die Wahrnehmung und Rezeption von Bildern und Texten verbunden. Viele Gedanken konnten so geprüft und bestätigt werden, manche wurden auch verworfen und ersetzt. Am Ende steht nun ein Musterbuch vor uns, dass Bildern und Texten gleichermaßen Platz in Form ganzer Seiten einräumt. Gedanken in der Richtung, die Texte „unauffällig“ in die Bilder zu integrieren oder Textseiten mit Bildfragmenten „zu schmücken“ haben wir leichten Herzens verworfen. So können beide Elemente ihre ganze Energie entfalten. Der Idee Kunst, die keine Illustration sondern eigenständiges Werk ist, in Bücher zu bringen, bleiben wir treu. Auch haben wir uns leicht auf eine einfache und schnörkellose Schrift (welche allerdings auch nicht genau die auf dem Dummy sein wird) verständigt, die die sprachliche Klarheit der Texte wiedergibt.

Gemeinsam mit Katharina Schulze sowie zuweilen unseren Kindern, Partnern und Freunden, waren wir zu vielen und haben unsere Arbeit dort gemacht, wo sie letztendlich ihre Früchte hintragen soll, nämlich mitten im (Familien-)Leben. Diese Form der dichten Zusammenarbeit erfordert viel Rücksichtnahme und Koordination von allen Beteiligten. Gleichzeitig ist es schön, die gegenseitige Befähigung und den daraus entstehenden Halt zu erfahren und für die Menschen, die uns die Wichtigsten sind, im Zweifel da sein zu können. Auch das gehört zum Eichhörnchenverlag, eine Arbeit zu machen, die schön und befriedigend ist und die uns wichtig erscheint, ohne dabei die Menschen zu vergessen, die wir lieben. Das Feedback, das uns unsere Kinder gelegentlich mitten im Arbeitsprozess geben, ist sogar oft ein besonders wertvolles, denn sie geben es direkt und ungefiltert an uns weiter und immerhin soll das Buch letztendlich vor allem ihnen gefallen und ihre Sprache sprechen.
Rundum zufrieden gehen wir nun entspannt in das Wochenende und wünschen euch allen ein fröhliches selbiges!

In der nächsten Woche schreibt an dieser Stelle wiederum Katharina Schulze und wird über textile Kunst im Allgemeinen und von ihren Eindrücken von der Textile Art Berlin (24. – 25. Juni 2017) im Besonderen berichten. Es wird sicher spannend!

Ich hatte es in der letzten Woche schon  angedeutet und freue mich nun um so mehr, euch mitteilen zu können, dass die Landtiere nicht nur ihren Autor, sondern auch die zu ihnen passenden Worte gefunden haben!
Gerd Knappe hat sich der Aufgabe angenommen und sie so formschön, klar und Freude machend gelöst, wie man es sich überhaupt nur wünschen kann!
Ungewöhnlich, aber konsequent habe ich seine Herangehensweise zuvor genannt und das ist treffend, denn Gerd Knappe hat sich Susanne Hauns Bilder nicht angesehen, bevor er schrieb. Keine Illustrationen sollten seine Worte werden, sondern für sich stehen und damit hat er genau in den Kern des Eichhörnchenverlags getroffen, der das für sich stehende und immer auch ohne Begleitung und Erläuterung erzählende Werk (in Bild und Wort) zu einem seiner zentralen Interessen gemacht hat.
Gerd Knappe schreibt unter anderem Lyrik und Dramatik für Kinder und Jugendliche und ist für seine Arbeit mehrmals ausgezeichnet worden. Sein Blick ist  immer klar und aufmerksam. Seine Sprache ist präzise und schnörkellos, manchmal onomatopoetisch, rhythmisch und immer treffend. Ein Bild folgt auf das andere: sehen, zulassen, beschreiben ohne zu werten; erzählen ohne zu verurteilen.
Manchmal fällt sein Blick auf die Wunden, auf den Schmerz. Dann sind die Worte hart und schwer auszuhalten aber immer sind sie gut.
Die Sprache, die er für die Landtiere gefunden hat, ist perfekt! Eine erste Kostprobe könnt ihr hier nun lesen.

Es folgt:
KUH
von Gerd Knappe für Landtiere

 

Tag für Tag stellt der Bauernjunge am Morgen seine nackten Füße in die warmen Kuhfladen der Kühe, die er hütet, damit sie nicht frieren.

Kuh. (c) Collage von Susanne Haun

Auf dem Gras grast sie
Im Stall futtert sie
Wasser trinkt sie
Milch gibt sie
Liter um Liter
Kuh für Kuh

Kuh und Fliege (c) Collage von Susanne Haun

Macht nicht meck
Wie eine Ziege
Bellt nicht wie ein Hund
Rennt nicht weg
Wie ein Pferd
Kräht nicht wie ein Hahn
Macht muh
Wie eine Kuh
Und als Kälbchen
Macht es schleck …

Bücher für Babys und Kleinkinder müssen viele Voraussetzungen erfüllen, die durch die Handhabung der Bücher von Kindern und ihre physischen Möglichkeiten bedingt sind. Grundsätzlich sollten diese Bücher über stabile Seiten verfügen, die reiß- und beißunempfindlich sowie ungefährlich sind. Die üblichen Materialien für solche Bücher sind Pappe und gelegentlich Holz. Pappe ist, wie ihr wisst, zunächst auch das Material der Wahl für den Eichhörnchenverlag. Es schadet aber nie, gelegentlich über den Tellerrand zu spähen und so beschäftige ich mich heute einmal mit Stoffbüchern.

Es gibt für Babys eine große Auswahl an Stoffbüchern – in der Regel mit eingenähten quietschenden oder knisternden, spiegelnden und zusätzlich beweglichen Elementen. Die Vorteile textiler Materialien liegen auf der Hand. Sie sind, wenn sie gut ausgewählt und verarbeitet sind, praktisch unverwüstlich. Sie sind weich und flexibel, sodass es schwer fällt, sich daran zu verletzen und sie sind waschbar. Umso erstaunlicher ist es, dass Stoffbücher (zumindest in meiner natürlich auch limitierten) Wahrnehmung keine ”richtigen” Bücher sind. Vielmehr erscheinen sie mir wie Mischwesen aus (Pappe-)Büchern, Stofftieren und Rasselketten.

Dabei ist die textile Kunst ein nicht nur geschichtsträchtiges sondern auch hochspannendes und vielseitiges Feld (zu entdecken zum Beispiel auf der Textile Art Berlin). Tatsächlich sind textile Arbeiten in unserem Alltag omnipräsent ähnlich anderer bildender Künste wie z. B. der Fotografie. Die gesellschaftliche Relevanz spiegelt sich allerdings nicht unbedingt in äquivalenter gesellschaftlicher Akzeptanz in Form von Anerkennung als eigenständige Kunstform wieder. Wie viele Textilmuseen gibt es?
Ich habe mir vorgenommen, der textilen Kunst vermehrt mit Neugier zu begegnen und meinen persönlichen Horizont zu erweitern.

Im Eichhörnchenverlag ist dennoch kein Stoffbuch in Sicht, aber: Sollte sich in Zukunft ein Textilbuchprojekt ergeben, dass unserem Programm entspricht, halten wir die Türen offen.

Wie sind eure Erfahrungen mit Stoffbüchern für kleine und große Menschen?  Was sind eure Vorstellungen von Stoffbüchern? Wenn ihr tolle Stoffbücher kennt, die kleine und große Menschen begeistern, freue ich mich über Hinweise!

Zum Abschluss und für die Augen noch ein paar Bilder von einem unserer alten Kinderbücher. Es ist zwar kein Stoffbuch arbeitet aber immerhin mit Textilcollagen. Auch hat es bereits die ein oder andere Reparatur hinter sich, aber es lebt noch! Gutes aus zwei Welten also: Stoff- und Pappebuch.

Gestaltung: Dagmar Schwintowsky

Text: Eva Görsch

Aus fernen Ländern

o. D. Leipzig

erschienen im Rudolf Arnold Verlag Leipzig

gedruckt von Sachsendruck Plauen

Beitragsautorin: Nina A. Schuchardt

Langsam ist es soweit. Aus der Idee und Bildersammlung Landtiere soll endlich ein konkretes Buch werden. Dazu müssen verschiedene Entscheidungen in Bezug auf die Herstellung des Buches getroffen werden. Welche Pappe wollen wir verwenden, welche Farben, Oberflächenbehandlung und und und? Um dem Eichhörnchenverlag die Mittel an die Hand zu geben, diese Entscheidung fundiert und passend zu treffen, hat uns die auf Pappebücher spezialisierte Druckerei SachsenDruck ein Musterpaket geschnürt. Die Freude war groß, als wir es auspackten, denn natürlich ist es eigentlich eine eigene Minibibliothek, die in unser Haus kam. Vielen Dank dafür!

Lesender, schauender und fühlender Weise haben wir inzwischen die verschiedenen Möglichkeiten in der täglichen Handhabung erprobt. Wie fühlen sich die Oberflächen an? Wie sehen die Farben aus? Wie reflektieren die Beschichtungen? Und ja, auch: Wie sind die ökologischen Eigenschaften des Materials?
Mein liebstes „Materialmuster“ ist – wenn auch mit nur wenig Vorsprung – „Schaumköpfe“ von Heinz Kahlau (Text) und Elisabeth Shaw (Illustrationen). Auch, weil mir die Bildsprache u. a. schon aus „Es war ein Hahn“ von Rainer Kirsch (Text) und Elisabeth Shaw (Illustrationen), erschienen im Kinderbuchverlag Berlin bekannt und lieb ist. Mein Exemplar von „Es war ein Hahn“ ist übrigens noch in der DDR und ebenfalls bei Sachsendruck gedruckt worden. Eine Jahreszahl steht leider nicht drauf… komisch.

Meine Tochter ist allerdings nicht so festgefahren in ihren Präferenzen und sorgt für einen ausgewogenen Buchkonsum nach Lust und Laune und der jeweiligen Situation entsprechend.
Zum Abschluss hier noch eine Liste der abgebildeten Titel von oben nach unten und links nach rechts:

Mes imagiers jeux. Drôle de mer! Observe et joue

Nastja Holtfreter

Larousse, Lille, 2017

Leve de lente! Kijk- en zoekboek

Rotraut Susanne Berner

Lannoo, Tielt, 2007

Mein kleines Stadt-Wimmelbuch. Kiel

Wolfgang Slawski

Willegoos, Potsdam, 2016

2x Musterkarten von SachsenDruck

Een fijne dag

Dick Bruna

Mercis Publishing bv, Amsterdam, 2017

Schaumköpfe

Heinz Kahlau, Elisabeth Shaw

Beltz | Der KinderbuchVerlag, Weinheim, 2010

Mein kleiner Wald

Katrin Wiehle

Beltz & Gelberg, Weinheim, 2013

Das Osternest

Ingeborg Meyer-Rey

Beltz | Der KinderbuchVerlag, Weinheim, 2006

Beitragsautorin: Nina A. Schuchardt

In meinen Augen unübertroffen ist „Kleine Monster“ von Jan Pieńkowski. Mein Exemplar ist ein Minipop im Jahr 1992 bei ars edition erschienen. Ich liebte dieses Buch schon als Kind und kann mich gut erinnern, wie meine Mama es mir vorlas. Sie intonierte jedes Monster mit viel Hingabe, ließ sie schmatzen, seufzen, wüten und vom letzten kleinen Monster bekam ich auch tatsächlich einen Kuss. Inzwischen ist mein Exemplar, außer durch meine Hände, auch durch die Hände meiner kleinen Schwester und gelegentlich durch die meiner Tochter gegangen und so sieht es auch aus. Trotzdem würde ich es nicht eintauschen wollen. Höchstens irgendwann noch ein unversehrtes Exemplar dazustellen…

Ihr könnt euch die kleinen Monster unversehrt und in Aktion auch auf youtube ansehen.

Jan Pieńkowski: „Kleine Monster“. ars edition. 1992 München, Titel.
Jan Pieńkowski: „Kleine Monster“. ars edition. 1992 München, Bild 1.
Jan Pieńkowski: „Kleine Monster“. ars edition. 1992 München, Bild 2.
Jan Pieńkowski: „Kleine Monster“. ars edition. 1992 München, Bild 5.
Jan Pieńkowski: „Kleine Monster“. ars edition. 1992 München, Impressum.

Beitragsautorin: Nina A. Schuchardt