EUROPA – Posterdesign von Jasper Precht – Europawahl

EUROPA – Posterdesign von Jasper Precht – Europawahl

Die Europawahl steht vor der Tür. Ich werde wählen gehen, weil ich immer wählen gehe, seit ich das darf. Die Stimme, die mir in einer demokratischen Wahl gegeben ist, ist eines der wichtigsten und direktesten, gleichzeitig auch eines der einfachsten Mittel, die mir für die Gestaltung meines Lebens und meiner Umwelt gegeben sind. Machte ich keinen Gebrauch von meinem Wahlrecht, verschenkte ich meine Stimme, würde ich mich fühlen, als betröge ich mich selbst um die Chance und die Berechtigung mein Leben und meine Zukunft, viele Aspekte, die mir persönlich und gesamtgesellschaftlich am Herzen liegen, zu formen und auch mein Recht Kritik an Strukturen und Umständen, die ich falsch finde, zu üben.

Unser Recht zu wählen, ist manchmal anstrengend und frustrierend, wenn man bedenkt, dass die eigene Stimme für sich genommen nicht viel bewirkt, ist sie doch nur eine unter sehr vielen. Unser Recht zu wählen ist trotzdem und vor allem aber ein Privileg und ein unermesslicher Schatz und wir alle tun gut daran, ihn zu hegen und zu pflegen!

So oder so ähnlich sehen es wohl auch die Macher von Europe Poster, einer unabhängigen Initiative die aufgerufen hat, Posterentwürfe zur bevorstehenden Europawahl einzureichen. Alle Posterentwürfe werden auf dem Instagram-Account europe.poster veröffentlicht. Herausgekommen ist dabei bisher eine beachtliche Sammlung toller Designs und – obwohl keine direkten Wahlempfehlungen gegeben werden – ein ganz klares und starkes Bekenntnis zur Europäischen Gemeinschaft!

Einer der Posterentwürfe für europe.poster stammt von dem Berliner Künstler und Designer Jasper Precht und soll im Folgenden näher vorgestellt werden.

Europa – Posterdesign von Jasper Precht

Anlässlich der Europawahl 2019

Europa – dargestellt durch die mythologische Gestalt der Europa – schaut verschämt weg, wo die Grundsätze* der Europäischen Union, welche unter anderem beinhalten, alle ihre Bürger*innen gleichwertig zu halten und solidarisch zu schützen, an der Not von Menschen nichteuropäischer Herkunft scheitern.

Der Entwurf bzw. das Gemälde Jasper Prechts fällt auf, weil er dort hinfässt, wo es weh tut. Weil er Menschen zeigt, wo viele auf die gefälligere Sprache von Farb- und Zeichensymbolik (blau, gelb und Sterne…) und das Spiel mit der Typografie zurückgreifen. Weil er auch nicht die Vielfalt und die Möglichkeiten der Europäischen Union vor Augen führt und feiert oder vielleicht vor den rechten Tendenzen innerhalb der Europäischen Union, die deren Ideale angreifen wollen, warnt. Die solidarischen und freiheitlichen Prinzipien Europas sind auch in diesem Gemälde absolut und nicht verhandelbar!

Mit diesem Poster zeigt uns der Künstler, wo die Grenzen unserer Freiheit liegen, nämlich dort, wo die Not der anderen beginnt.

Ich sehe darin ein starkes Statement und übrigens auch ein Bekenntnis zu Europa – einem Europa allerdings, dass seine Werte nicht allein europäischen Bürger*innen, sondern einfach allen Menschen, die sich in seinem territorialen und ideellen Wirkungskreis aufhalten und aufhalten wollen, zugesteht.

Ein Mensch und des Menschen Leben verlieren an keiner Grenze ihren Wert.

Das künstlerische Werk Jasper Prechts ist bisher übrigens eher ohne politische Stellungnahme ausgekommen. Mit diesem Bild ändert sich das vielleicht, wozu ich ihn selbst zu Wort kommen lassen möchte:

„Gerade stelle ich mir die Frage, ob meine Kunst nicht eben doch ein gutes Mittel ist, um auch politisch aktiv zu werden, ohne allerdings meinen Stil oder die Vorlieben für [bestimmte] Motive stark zu verändern. Bei dem Poster habe ich versucht, eine Identifikation über eine Bezugsperson (Europa auf dem Stier) zu einer politischen Debatte aufzubauen, ähnlich wie eine Rückenfigur zu einer romantischen Landschaft. Das passt dann auch wieder zu meinem Stil, der ein bisschen Romantik in der Haut des Realismus ist.
So hat man also eine Bezugsfigur im Bild, die Europa (Mythologie) auf dem Stier (Zeus), welche gerade auf dem Weg nach Kreta ist. Das Motiv ist übrigens stark angelehnt an ein Bild des russischen Malers Walentin Alexandrowitsch Serow. Im Hintergrund sieht man ein Flüchtlingsboot mit einem weiteren größeren Boot einer NGO, wo allerdings ein Verbotsschild drauf steht. Privaten Organisationen ist es verboten Menschenleben zu retten. Europa blickt beschämt nach unten, die sich das Schicksal mit den Flüchtlingen teilt, nach Europa (Kontinent) zu gelangen. Die Aussage ist offensichtlich und parteilich. Mein Poster soll Empathie auslösen und so wie sich Europa schämt, sollte man sich vielleicht auch als Europäer schämen, wenn man hört, dass private Seenotretter sogar bestraft werden, wenn sie ehrenamtlich Menschenleben retten.“ Jasper Precht

Dem bleibt wenig hinzuzufügen. Allein, für diejenigen unter euch, die sich für die künstlerische Technik interessieren, werde ich ein weiteres Statement des Künstlers folgen lassen, in welchem er das Vorgehen für dieses spezielle Bild dankenswerterweise dargestellt hat. Das beschriebene Digital Painting ist eine im aktuellen Schaffen Jasper Prechts recht präsente Vorgehensweise, nicht jedoch sein einziges künstlerisches Ausdrucksmittel. Ich persönlich bin auch eine große Freundin seiner „klassischen“ Ölgemälde.

„Das Bild [Europa – Posterdesign anlässlich der Europawahl 2019 von (c) Jasper Precht] ist am 4.5. [2019] entstanden.
Ich habe es am Grafiktablet in Photoshop gemalt. Also ist es eine komplett digitale Illustration. Allerdings verwende ich gerne Brushes/Pinsel, die den analogen Charakter eines Öl- oder Pastellgemäldes imitieren. Diese Brushes haben meistens noch eine Textur oder sind ausgefranst.
Mein Farbauftrag liegt eigentlich bei 100%, d. h. ich verzichte auf weiche Überblendungen und trage wie bei getrocknetem Acryl die nächste Farbschicht deckend auf. Lediglich über den Transfer der Pinsel (sowas wie der Verlust der Farbe über die Strichführung) mache ich leichte Farbabstufungen. Die Farben entnehme ich manchmal tatsächlich originalen Fotos vom Meer o. Ä. und korrigiere diese anschließend im Colorpicker etwas nach Gefühl.
Ich habe ausschließlich auf einer Ebene gemalt. Es gibt technisch also keinen Vorder-/Hintergrund, was die Bilder meist weniger „künstlich“ aussehen lässt. So muss man die Konturen von Figuren öfters noch mal nachziehen.
Die Wellen waren am Anfang kompositorisch ziemlich unausgeglichen. Sowas sieht man dann erst, wenn man das Bild spiegelt, was im Digitalen nur ein „Shortcut“ ist. Die Wellen habe ich dann etwas mehr auf das Zentrum des Bildes gelenkt. Damit kann man das Auge des Betrachters zum Inhalt führen.“ Jasper Precht

Lieber Jasper,

vielen Dank für die Erlaubnis zur Veröffentlichung deines Bildes und all deine Ausführungen dazu!

Mehr von Jasper Precht auf Instagram.

Geht wählen!

* Der Vertrag über die Europäische Union und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union können hier in ihren konsolidierten Fassungen eingesehen werden.

Artikel 1 bis 3 des Vertrages über die Europäische Union besagen:

Artikel 1

(ex-Artikel 1 EUV) (2)

Durch diesen Vertrag gründen die HOHEN VERTRAGSPARTEIEN untereinander eine EUROPÄISCHE UNION (im Folgenden „Union“), der die Mitgliedstaaten Zuständigkeiten zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen Ziele übertragen.

Dieser Vertrag stellt eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar, in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden.

Grundlage der Union sind dieser Vertrag und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden „Verträge“). Beide Verträge sind rechtlich gleichrangig. Die Union tritt an die Stelle der Europäischen Gemeinschaft, deren Rechtsnachfolgerin sie ist.

Artikel 2

Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.

Artikel 3

(ex-Artikel 2 EUV)

(1) Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.

(2) Die Union bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen, in dem – in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Kontrollen an den Außengrenzen, das Asyl, die Einwanderung sowie die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität – der freie Personenverkehr gewährleistet ist.

(3) Die Union errichtet einen Binnenmarkt. Sie wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin. Sie fördert den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt.

Sie bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz der Rechte des Kindes.

Sie fördert den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten.

Sie wahrt den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt und sorgt für den Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes Europas.

(4) Die Union errichtet eine Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der Euro ist.

(5) In ihren Beziehungen zur übrigen Welt schützt und fördert die Union ihre Werte und Interessen und trägt zum Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger bei. Sie leistet einen Beitrag zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern, zu freiem und gerechtem Handel, zur Beseitigung der Armut und zum Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Rechte des Kindes, sowie zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.

(6) Die Union verfolgt ihre Ziele mit geeigneten Mitteln entsprechend den Zuständigkeiten, die ihr in den Verträgen übertragen sind.