Tiere im Kinderbuch

Tiere im Kinderbuch

Denken wir an die Bücher unserer Kindheit zurück und überlegen, welche Charaktere es in ihnen gab, fällt auf, dass sich zahllose Tiere darunter befinden. Tatsächlich kommen nur etwa zehn Prozent aller Bilderbücher ohne tierische Figuren aus. Je älter dann die Zielpersonen eines Buches sind, desto weniger Tiere kommen vor. Bei Pippi Langstrumpf sind die Tiere zwar nicht die Hauptfigur, aber wichtige Begleiter mit spezifischen Eigenschaften. Bücher für Lesende in der Pubertät drehen sich dann stärker um die menschliche Identität und Identitätssuche. (1)

Dabei können die tierischen Buchhelden ganz verschiedene Funktionen übernehmen. Gerade in Märchen und Fabeln dienen sie als Symbole oder lehrreiche Beispiele. Als Hauptfiguren werden sie häufig anthropomorph, das heißt mit menschlichen Verhaltensweisen, dargestellt. (2) Auch können die Tiere Speziengrenzen überschreiten, zum Beispiel eine Beziehung zu Menschen eingehen oder ihre Gestalt wandeln, etwa wenn die Söhne des Königs in “Die sechs Schwäne” zum eigenen Schutz Tiergestalt annehmen müssen oder im Märchen “Vom Fischer und seiner Frau” ein verzauberter Prinz in Fischgestalt die immer weitreichenderen Wünsche einer Fischersfrau erfüllen muss.(3)

Generell lässt sich mit Tieren eine Geschichte leichter verständlich erzählen, die Kinder können sich mit den Tieren zugewiesenen Rollen leicht identifizieren. Die Distanzierung durch ein Tier regt zudem ihre Fantasie an. Dabei müssen die Autor*innen eine gewisse Verflachung und Klischierung durch die Konzentration auf eine bestimmte Eigenschaft in Kauf nehmen. Dies hilft Kindern aber, zum Beispiel mit Ängsten umzugehen und sich diesen zu stellen. Psychologen nehmen aus diesem Grund gerne Tiere als Beispiele, wenn sie mit Kindern arbeiten. (1)

Zudem fällt die Identifikation mit tierischen Helden leichter, weil man ihnen auf den ersten Blick bestimmte Eigenschaften zuordnen kann. Die Maus zum Beispiel ist klein, harmlos und niedlich und eignet sich daher hervorragend als Identifikationsfigur für kleine Kinder. Ob man hingegen einen Menschen mag, hängt von vielen komplexen Faktoren ab. (2)

In den 1970-er Jahren war diese Art der Darstellung umstritten, Rufe nach einer neuen, literarischeren, wenn man so will auch politischeren, aufgeklärteren Kinderliteratur wurden laut. Tierbücher galten damals als zu harmlos, um das zu vermitteln, was man damals Kindern vermitteln wollte. Gefragt war vor allem eine realistische Darstellung und Tiere sprechen in der „richtigen Welt“ nun mal nicht. (4) Diese Ansicht konnte sich nach einem Blick in neuere Kinder- und Bilderbücher aber nicht halten.

Auch im Programm des Eichhörnchenverlags finden sich viele Bilderbücher, in denen Tiere die Hauptakteure sind. Im Alltag vom KLEINEN LÖWEN WILLIAM erkennen Kinder ihren eigenen Alltag, in der GESCHICHTE VON TUI-TIU stellt sich die Frage nach der eigenen Herkunft und Familie und bei İDA’NIN YOLU / IDAS WEG ist das Reh Ida stellvertretend auf der Suche nach seinem eigenen Weg ist, den jedes Kind geht. Auch unser gerade erschienenes Bilderbuch MONSTER UND MAUS kommt nicht ohne ein kleines Nagetier aus.

Die ersten Bücher mit tierischen Helden, die wir liebten, waren übrigens bei mir ganz klassisch Die kleine Raupe Nimmersatt und später Bernhard und Bianca – Die Mäusepolizei (hier zeigte sich schon früh mein Faible für Krimis). Bei Nina waren es Piepmatz wie heißt du und Peter Hase. Mehr dazu könnt ihr auch hier lesen.

Beitragsautorin: Katharina Schulze

Quellen

(1) Hürlimann, Christa: Tiere in Kinderbüchern. Von mutigen Mäusen und ängstlichen Wölfen, 21. März 2019, unter: https://www.schweizer-illustrierte.ch/family/alltag/von-mutigen-mausen-und-angstlichen-wolfen (letzter Aufruf: 08.08.2022)

(2) Britta von Leseliebe: Warum Kinder Tiere (im Kinderbuch) lieben., unter: https://www.leseliebe.de/artikel/warum-kinder-tiere-im-kinderbuch-lieben (letzter Aufruf: 08.08.2022).

(3) Bartosch, Roman: Mensch und Tier in Kunst und Literatur., 1.12.2020, unter: https://www.bpb.de/themen/umwelt/bioethik/321737/mensch-tier-in-kunst-und-literatur/ (letzter Aufruf: 08.08.2022).

(4) Hahn, Karin: Ehrliche Freunde, kluge Ratgeber, listige Feinde., 25.10.2014, unter: https://www.deutschlandfunk.de/tiere-in-kinderbuechern-ehrliche-freunde-kluge-ratgeber.1202.de.html?dram:article_id=301386 (letzter Aufruf: 08.08.2022).

Einige von euch fragen sich sicher längst, wann endlich unser für 2021 geplantes Spielbilderbuch STADTSPAZIERGANG von Karoline E. Löffler erscheint. Vielleicht habt ihr schon entdeckt, dass es momentan gar nicht mehr bestellbar ist? Es ist eine lange Geschichte von einer schwierigen Reise…

Die Geschichte des STADTSPAZIERGANGs beginnt im Jahr 2018, als Karoline E. Löffler und ich uns zum ersten Mal trafen. Die Idee eines Bilderbuchs mit Stadtszenen, wie die Künstlerin, wie wir alle sie täglich erleben können, wenn wir durch die Städte unserer Wahl streifen, war schnell geboren. Wir wollten ein Bilderbuch, das das Leben in seiner Mannigfaltigkeit abbildet. Wir wollten die unterschiedlichsten Menschen in den unterschiedlichsten Umständen und Situationen darstellen. Die ersten Entwürfe waren bald erarbeitet.

Dann wollten wir noch weiter gehen. Wollten ein Bilderbuch, welches die Kinder nicht nur betrachten, sondern in welches sie eintauchen, in welchem sie ihre eigenen Lebenswelten nachempfinden, nachspielen könnten. So wuchs das Format (Der STADTSPAZIERGANG hat ein Format von 22 x 50 cm.) und die Idee von Spielfiguren und einem Spielbilderbuch war geboren.

Neun Personen – Kinder und Erwachsene – stellten uns Fotos von sich zur Verfügung, die als Zeichnungen genau jene charmant-lebendigen Figuren wurden, die wir uns für das Buch gewünscht hatten. Darüber hinaus entstanden einige Blankofiguren, damit jedes Kind später die Möglichkeit bekommen sollte, sich selbst oder eben eine Figur nach der ganz eigenen Vorstellung durch unsere fiktive Stadt spazieren zu lassen.

All das war ein langer Prozess, der nun längst abgeschlossen ist und wir sind zufrieden und stolz auf das Ergebnis, ABER:

Neben der inhaltlichen Entwicklung gilt es immer auch deren physische Umsetzung zu planen und die hatte es mit dem STADTSPAZIERGANG in sich. Wir sind froh und dankbar, mit der Druckerei Sachsendruck in Plauen einen Partner an unserer Seite zuhaben, der viel Erfahrung mitbringt, für das Medium Pappebuch brennt und immer bereit ist, auch die ungewöhnlichsten Vorschläge zu berücksichtigen und auszuprobieren. Zum Beispiel auch bei unserem Pappebuch WINDKIND, bei welchem wir unterschiedliche Kartonsorten verarbeiten und ihm so seine besondere Form zwischen Bilderbuch und Lyrikbuch geben konnten. Danke dafür! Und trotzdem war es kein leichter Weg. Zuerst dachten wir daran, ein Leporello zu machen. Das war aber wegen fehlender Maschinen für solch ein großes Format bald verworfen. Auch eine klassische Pappebuchbindung kam in der gewünschten Größe nicht infrage. Eine Drahtkamm- oder Wire-O-Bindung war genau das, was wir brauchten. Diese Bindung überzeugte uns, neben der Machbarkeit, wegen der großen Flexibilität. Unser 8-seitiges Pappebuch konnte damit tatsächlich vollständig aufgeklappt und zum Spiel als Kulisse aufgestellt werden. Die Stabilität der Seiten stellte uns trotzdem noch vor eine Herausforderung. Bei klassischen Pappebüchern werden immer zwei Kartonseiten gegeneinander geklebt, um so ein stabiles Blatt mit zwei bedruckten Seiten zu erhalten. Dieser Vorgang des Verklebens heißt Kaschieren. Mit diesem Verfahren erhalten wir in der Regel stabile Pappebücher, die für alle Anforderungen in den Händen kleiner Kinder gut gewappnet sind. Mit zunehmender Länge der Seiten werden diese aber trotzdem relativ flexibel oder weicher und wir beschlossen, eine dritte Pappe in die Seiten einzuarbeiten, ein Rückgrat gewissermaßen. Dies ist ein Verfahren, welches wir übrigens auch bei İDA’NIN YOLU / IDAS WEG angewandt haben. Dort allerdings wegen des kleineren Formats, mit geringerem Aufwand und auch aus anderen Gründen, die hier beschrieben sind. Sowohl für die Kaschierung im Format des STADTSPAZIERGANGS als auch die Wire-o-Bindung hat unsere Druckerei nicht die passenden Maschinen. Externe Unternehmen wurden darum beauftragt und genau da, ist nun das passiert, weshalb es den STADTSPAZIERGANG immer noch nicht im Handel gibt.

Die kaschierten Seiten haben sich gebogen. Natürlich war vor dem Druck ein Test durchgeführt und ein Dummy hergestellt worden. Kaschiert, geschnitten und gebunden, aber eben in Weiß, sah damit zunächst alles gut aus. Als die bedruckten Seiten aus der Kaschierung zurückkamen, war es dann aber doch anders. Sie alle sind gewellt.

Und nun? Wir wissen es nicht. Unsere Partner versuchen derzeit alles, um den Fehler zu beheben, ob das gelingt, wissen wir nicht. Sollte es nicht gelingen, könnten wir die gesamte Auflage nur als Defektexemplare mit ungewissen Aussichten auf Verkauf fertigstellen. Andernfalls wird der STADTSPAZIERGANG in der Form, auf die wir fast vier Jahre hingearbeitet haben, nie erscheinen. Es ist eine Entscheidung, die uns nicht leicht fällt.

80 Exemplare des STADTSPAZIERGANGs wurden übrigens trotzdem schon gebunden und zum Teil an jene Menschen verschenkt, die an der Entstehung desselben bis hierhin maßgeblich beteiligt waren. Sie wurden mit neugierigen und freudigen Händen entgegengenommen und es sind fraglos wunderschöne Spielbilderbücher, auf die wir stolz sind und an denen wir viel gelernt haben, es sind aber unleugbar auch krumme Hunde.

In unserer Gesellschaft haben es krumme Gurken schwer und ich fürchte, auch krummen Büchern geht es nicht anders. Was meint ihr? Würdet ihr einem krummen Hund ein Zuhause geben?

Beitragsautorin: Nina A. Schuchardt

Nach laaanger Blogpause melden wir uns zurück und freuen uns, auf viele spannende neue Projekte, Künstler*innen und Autor*innen, Veranstaltungen und manches mehr, das wir euch in den kommenden Wochen vorstellen möchten.

Den Anfang machen wir mit einer herzlichen Einladung in die Buchhandlung Schatzinsel in Bernau.

Im Rahmen der Aktion Brandenburger Buchfenster hat die Buchhandlung Schatzinsel unseren Bilderbüchern einen zauberhaften Präsentationsplatz geschaffen. Den ganzen Mai über können sie dort in aller Ruhe betrachtet, gelesen, diskutiert und natürlich auch gekauft werden.

Diesen Samstag, den 7. Mai von 11 bis 13 Uhr wird auch die Verlegerin Nina A. Schuchardt zum Verlagsgespräch vor Ort sein. In lockerer Atmosphäre freuen wir uns auf viele Fragen und regen Austausch rund ums Bilderbuch! Abgerundet wird das Samstagsprogramm mit einer Lesung des zweisprachigen Mitmachbilderbuchs İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer. Ab 15 Uhr sind insbesondere Kinder herzlich eingeladen, das neugierige Rehkitz Ida kennenzulernen und auf ihren verschlungenen Wegen zu begleiten.

Wir danken der Buchhandlung Schatzinsel von Herzen für die Einladung und freuen uns auf einen spannenden Tag!

Veranstaltungsort: Buchhandlung Schatzinsel, Alte Goethestr. 2c, 16321 Bernau

Beitragsautorin: Nina A. Schuchardt

Wer von euch hat gestern Abend “Die Literaturagenten” auf radioeins gehört?

Es war eine richtig gute Sendung zum Bücherfrühling (initiiert von Börsenverein Berlin-Brandenburg, radioeins und Berliner Zeitung) in Berlin und Brandenburg, in der auch İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer als eines von 10 super-spannend klingenden Büchern vorgestellt wurde! 🙂

Die Kinderbuchbesprechungen von Wiebke Keuneke inkl. İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer findet ihr ab Minute 35. Wir empfehlen euch aber unbedingt die ganze Sendung zu genießen!

Beitragsautorin: Nina A. Schuchardt

Beitragsbild: (c) Eichhörnchenverlag.

Nachdem wir im Blog schon einen genaueren Blick auf die Kunst der Buchrücken geworfen haben, geht es im heutigen Beitrag um die Frage, was man eigentlich alles mit seinen Büchern machen darf.

Nicht nur Literaturblogs, auch eine Vielzahl von Foren von Bücherliebhabern befassen sich mit dem Thema und es wird heiß diskutiert. Ich lege meine Bücher zum Beispiel gern auch mal mit dem Buchrücken nach oben, wenn ich gerade kein Lesezeichen zur Hand habe. Das kommt öfter vor, da meine Bücher überall in der Wohnung verteilt rumliegen, ich meistens mehrere gleichzeitig lese und manchmal auch mein Kind die Bücher anschaut und das Lesezeichen dann am spannendsten findet. Für meine Kollegin Nina ist das der Horror. Dafür hat sie seit ihrer Bachelorarbeit überhaupt keine Probleme mehr, in Bücher Notizen zu machen, was für mich ein Graus ist.

Eine Ausnahme bilden hier nur Bücher, die ich verschenke und in die ich auf der ersten Seite eine Widmung für den oder die Beschenkte schreibe. Bei Büchern vom Flohmarkt sind diese manchmal auf der ersten Seite eingetragenen Widmungen eine tolle Sache, um zu erfahren, warum das Buch ausgesucht wurde und wer es geschenkt bekommen hat und geben dem erworbenen Buch eine ganz persönliche Note.

Bei Kinderbüchern und Pappebüchern gelten für mich noch etwas andere Maßstäbe. Die Kinder haben noch mal einen anderen Umgang mit Büchern. Die Seiten können manchmal (noch) nicht so ordentlich umgeblättert werden, wie wir Erwachsenen es tun. Das Seitenblättern, knicken, rascheln gehören zum Erlebnis des Bücheranschauens dazu. Auch das Zeichnen in Bücher kann großen Spaß machen. Gut, dass Pappebücher so strapazierfähig sind und unser Buch İDA’NIN YOLU / IDAS WEG sogar ganz explizit zum Reinmalen und Mitgestalten gedacht ist.

Schaut man in die Historie, so war der Umgang mit Büchern lange Zeit sehr sorgfältig, da es meist nur wenige oder sogar nur ein Exemplar eines Buches gab und die Abschrift und Illustration enorm viel Zeit und Aufwand in Anspruch genommen hat. Dementsprechend wurden diese dann auch behandelt. Auch waren die Bücher zumeist sehr groß und schwer und somit sehr unhandlich und nicht so leicht zu transportieren. Gelesen wurden sie nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung und das zumeist in Bibliotheken oder Leseräumen zu Studienzwecken, erst im zweiten Schritt rein fürs Vergnügen. Taschenbücher, die den Transport enorm erleichterten, wurden erst Mitte des 20. Jahrhunderts erfunden.

Wie seht ihr das? Was müssen eure Bücher alles aushalten? Oder sehen sie nach dem Lesen noch fast aus wie neu? Wir sind gespannt und wünschen ein schönes Wochenende!

Beitragsautorin: Katharina Schulze

Quellen

Kalkowski, Uwe: Über den Umgang mit Büchern., 3. Oktober 2019, unter: https://kaffeehaussitzer.de/ueber-den-umgang-mit-buechern/, letzter Aufruf: 16.03.2021.

Rieger, Madelaine: Der Umgang mit Büchern., 22. März 2018, unter: https://blackndbeautiful.wordpress.com/2018/03/22/umgang-mit-buechern/, letzter Aufruf: 16.03.2021.

Titelbild: Bücher mit leichten Abnutzungserscheinungen, (c) Fotografie: Joseph Bergner.

Er ist oft nicht so aufregend und präsent wie das Titelblatt eines Buches oder die Rückseite, die uns mehr über den Inhalt des Buches verrät, aber das Erste, was wir von einem Buch im Bücherregal sehen und damit nicht minder wichtig: der Buchrücken.

Im heutigen Blogbeitrag widmen wir uns dieser schmalen Seite eines Buches, an der der Buchblock am Einband befestigt ist.

Journalistin Julia Rothhaas beschreibt den Buchrücken wie folgt: „Denn der Buchrücken ist der Agent zwischen Auge und Kopf, der uns ein Gefühl vermittelt – und nicht nur Titel und Autor nennt. Wir sehen kurz hin und haben auch nach längerer Zeit wieder ein Gespür dafür, wie die Lektüre war. Der Buchrücken ist wie das Loch, in das Alice im Wunderland fällt, die Eingangstür zu den bunten Welten dahinter und den Gefühlen, die wir beim Lesen hatten“.  (1)

Meistens enthält der Buchrücken den Autor, den Titel und den Verlag und ist auf gestalterischer Ebene eher zurückhaltend gestaltet, da an dieser Stelle die Fakten im Vordergrund stehen und das Auffinden des Buches erleichtert werden soll. Aufwändiger, vielleicht sogar mit einem Bild versehen, sind eher weniger Buchrücken, oft einfach wegen des fehlenden Platzes. Bei einer Dilogie, Trilogie oder anderen Mehrteilern, Schubern oder Sammelbandausgaben spielt das Design des Buchrückens eine größere Rolle. Sie sind oft zusammenhängend gestaltet oder sich in einigen Punkten ähnlich, sodass man sie als zusammengehörend ausmachen kann. (2)

Lange Zeit spielte der Buchrücken in der Geschichte des Buches keine Rolle. Im Mittelalter wurden die meist großen und schweren Bücher liegend aufbewahrt, der Rücken wurde sogar oft mit einer Vorrichtung versehen, die es erlaubte, das Buch anzuketten und vor Diebstahl zu schützen. (1) Da der Buchrücken verdeckt war, wurde der jeweilige Titel durch ein Stück Pergament oder Papier gekennzeichnet, welches an einem Band aus dem Buch heraushing. (3)

Mit der Erfindung des Buchdruckes kamen auch immer mehr Bücher in Umlauf und im 16. Jahrhundert reichte der Platz nicht mehr aus, um die Bücher wie bisher liegend aufzubewahren. Die Lektüre wurde aufgerichtet, allerdings erstmal mit dem Rücken nach hinten. “Die Bücher waren zum Schutz armiert, sie trugen Metallschließen”, sagt Andreas Wittenberg, Referatsleiter der Abteilung Historische Drucke der Staatsbibliothek zu Berlin. “Weil man sie daran auch gut aus dem Regal ziehen konnte, wurden sie mit dem Vorderschnitt, also den Seiten, in Richtung Betrachter aufgestellt.” Die Privatbibliothek entwickelte sich mehr und mehr zum Statussymbol und die Bücher wurden je nach Einrichtung, Geschmack und Geldbeutel vom Buchbinder gebunden, denn man kaufte nur den gedruckten Teil, nicht den Einband dazu. (1)

Der heute verbreitete Schutzumschlag, der das Bücherregal bunt und schön macht, kam erst Ende des 19. Jahrhunderts in Umlauf. Dieser wurde von den Bibliotheken tatsächlich oftmals entsorgt – er diente zu dem Zeitpunkt eben nur zum Schutz beim Transport und noch nicht als Werbemittel. (1)

Langsam wurde es dann doch üblich, in Kloster-, Palast- und in Handbibliotheken die Bücher in den Regalen mit dem Rücken nach vorne aufzubewahren. Bis ins 20. Jahrhundert wurden Buchrücken mehrheitlich aufwendig gestaltet und verziert, zum Beispiel mit Goldprägungen, Silberprägungen, Farbprägungen und Farblosprägungen oder Blindprägungen, handverzierten Ornamenten oder kostbaren Rückenvignetten. (4)

Autor, Titel und Verlag sind die wichtigsten Informationen, die uns der Buchrücken liefert. Wie diese allerdings auf dem Buchrücken angeordnet sind, unterscheidet sich stark voneinander. Eine verbindliche Norm für die Laufrichtung auf einem Buchrücken existiert in Deutschland, Österreich und der Schweiz beispielsweise nicht. (3) Die meisten Bücher im deutschsprachigen Raum werden allerdings von unten nach oben beschriftet, weil die Verlage davon ausgehen, dass der Großteil der Leser Rechtshänder ist und somit ein Buch mit der rechten Hand aus dem Regal nimmt und während der Suche nach einem Buch den Kopf nach links neigt. So sind die Titel im Regal schnell lesbar und der gewünschte Titel schnell gefunden. (5)

Bei englischsprachigen Werken ist es genau andersherum. Im Gegensatz zum linksdrehenden Längstitel wird hier beim rechtsdrehenden Längstitel der Titel von oben nach unten abgebildet. Man muss also bei einem im Regal stehenden Buch den Kopf nach rechts neigen, um den Titel lesen zu können. (4) Sind die Bücher dick genug, kann ihr Titel auch horizontal aufgebracht sein.

Ein Vorteil der angelsächsischen Variante ist, dass der Titel auch lesbar ist, wenn das Buch mit der Vorderseite nach oben flach im Regal liegt. Das Cover und der Text auf dem Buchrücken können also gleichzeitig gelesen werden. (5) Außerdem kann diese Variante sinnvoll sein, wenn die Lesbarkeit des Rücktitels wichtig ist wie auch bei buchähnlichen Publikationen wie einem Geschäftsbericht oder Katalog. Auch großformatige Publikationen wie Fotobücher profitieren von dieser Variante. (4)

Wie haben wir das nun im Eichhörnchenverlag gemacht? Da wir (bisher) keine Reihe und nur zwei zusammenhängende Bücher herausgebracht haben, nämlich die KLEINE VOGEL-WUNDERKAMMER plus Begleitbuch, sind unsere Buchrücken unterschiedlich gestaltet und dem Design und dem Format der verschiedenen Bücher angepasst. Was sich allerdings fast immer findet ist unser Logo, dass durch seine Form ziemlich perfekt Platz auf einem Buchrücken findet. Und man weiß immer, wo die Bücher des Eichhörnchenverlags im Regal stehen. Bis auf eine Ausnahme ist immer der Titel des Buches zu lesen, oft auch der Name des/der Künstler*in.

Bei den LANDTIEREN findet sich gar keine Schrift auf dem Buchrücken, da Titel- und Rückseite aus einem weiteren zusammenhängenden Bild von Susanne Haun bestehen und ein Aufdruck dieses Bild eher gestört hätte. Die eindeutige Gestaltung des Buches gibt auch so Auskunft darüber, um welches Buch es sich handelt. Bei einer unserer Neuerscheinungen, dem WINDKIND, haben wir zum ersten Mal mit Goldfolienprägung gearbeitet, die sich auch auf dem Buchrücken wiederfindet und diesen zu etwas ganz Besonderem machen.

Schaut doch auch mal in euer Bücherregal und entdeckt die Feinheiten der Buchrücken. Es gibt erstaunlich viel zu entdecken.

Beitragsautorin: Katharina Schulze

Quellen

1) Rothhaas, Julia: Umschlagplatz, 13. November 2015, unter: https://www.sueddeutsche.de/stil/buchruecken-umschlagplatz-1.2734411 (letzter Aufruf: 10.02.2021).

2) Merschmann, Yvonne: Ein schöner Rücken kann entzücken: Buchrücken, 26. August 2018, unter: https://seitenglueck.wordpress.com/2018/08/26/allgemein-ein-schoener-ruecken-kann-entzuecken-buchruecken/ (letzter Aufruf: 10.02.2021).

3) ZVAB – Zentrales Verzeichnis Antiquarischer Bücher: Rückblickend betrachtet – Von der Schönheit des Buchrückens unter: https://www.zvab.com/antiquarische-buecher/buchruecken.shtml (letzter Aufruf: 10.02.2021).

4) Beinert, Wolfgang: Buchrücken, 14. Mai 2020, unter: https://www.typolexikon.de/buchruecken/ (letzter Aufruf: 10.02.2021).

5) Michalski, Thomas: Haben Sie schon mal über die Ausrichtung von Buchrücken nachgedacht?, 19. März 2012, unter: https://thomas-michalski.de/2012/03/19/haben-sie-schon-mal-uber-die-ausrichtung-von-buchrucken-nachgedacht/ (letzter Aufruf: 10.02.2021).

Titelbild: Bücher des Eichhörnchenverlags. Fotografie: SH, (c) Eichhörnchenverlag.

Immer am dritten Freitag im November findet der bundesweite Vorlesetag initiiert von DIE ZEIT, Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung statt und heute ist es wieder so weit!

Jedes Jahr führen die Initiatoren des Aktionstages eine Studie rund um das Thema Vorlesen durch (die Studien aus diesem und den vergangenen Jahren können hier abgerufen werden) und kommen dabei zu dem Schluss, dass das Vorlesen eine rundum gute Sache ist, die beispielsweise Kinder in ihrer Entwicklung bestärkt und unterstützt und emotionale Bindungen fördert. Erkenntnisse, die viele von uns sicher schon intuitiv erfahren haben, die deshalb aber nicht weniger wichtig zu betrachten und beachten sind. Wir freuen uns sehr, dass wir vom Eichhörnchenverlag in diesem Jahr wieder Teil des schönen, vielfältigen und geschichtenbegeisterten Programms des Vorlesetags sein können! Das vollständige Programm findet ihr unter: www.vorlesetag.de

Wir haben in diesem Jahr eine digitale Lesung passend zum Jahresmotto “Europa und die Welt” für euch vorbereitet. Fulya Gezer und Nina A. Schuchardt lesen für euch das Bilderbuch İDA’NIN YOLU / IDAS WEG auf Deutsch und Türkisch. Wir wünschen euch viel Freude beim Zuhören!

Die Lesung ist bis einschließlich Sonntag, den 22.11.2020 abrufbar.

Nina A. Schuchardt

İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer ist eine leichte, spielerisch-philosophische Geschichte auf Türkisch und Deutsch, die dazu ermuntert, sich selbst zu vertrauen. Es ist außerdem ein Mitmachbuch, das auf allen Seiten viel Platz lässt, um selbst kreativ zu werden. Es darf nach Herzenslust gezeichnet, gemalt und geklebt, Idas Weg weiter gestaltet und den eigenen Ideen und Wünschen nachgespürt werden!

Der Eichhörnchenverlag hat einige Künstler*innen gebeten, Ihre persönliche Vision von Idas Weg zu gestalten. Die Ergebnisse stellen wir euch in der Serie „Idas vielgestaltige Wege“ vor.

Die allerschönste Post bekommen wir stets von Karoline E. Löffler. Meist ist schon dem Umschlag anzusehen: There’s magic inside! und so war es denn auch als wir neulich dieses Exemplar der Geschichte von İDA’NIN YOLU / IDAS WEG auspackten.

Buchschnitt İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer, bearbeitet von Karoline E. Löffler.

Von außen betrachtet scheint das Buch noch ganz unverändert. Nur am Buchschnitt erkennen aufmerksame Betrachter*innen, dass hier frische Farben zu Gange waren und doch wird spätestens auf der ersten Seite klar: hier ist tatsächlich Märchenzauber am Werk!

Blau sprüht es über dieser ersten Seite 1/2, gleichsam wie aus einem Zauberstab und am Horizont erheben sich sieben funkelnde Berge (Ja, sie glitzern tatsächlich!), besetzt von sieben grinsenden Zwergen, jeder in einer anderen leuchtenden Farbe. Sie sind Vorboten des weiteren Laufs dieser Bilderbuchreise.

Doch noch ist es nicht so weit. Wir blättern um auf Seite 3/4. Wolkig und grau hat Karoline E. Löffler hier ergänzt. Ungewissheit und auch etwas Schwermut liegen in der Luft und wir nehmen sie mit auf Seite 5/6, denn auch hier sieht es noch düster aus und vielleicht ein klein Wenig unheimlich.

Seite 3/4, İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer, bearbeitet von Karoline E. Löffler.

Die feinen schwarzen Zweige hängen tief über dem Weg und scheinen schattig. Am Wegesrand steht ein Schlösschen, dass rosa-perlmuttern schimmert und ich frage mich, ob es das Elternhaus Idas ist, von welchem sie nun zunächst Abschied nimmt oder ist es doch eher das verzauberte Märchenschloss, dass Ida wohlweislich links liegen lässt, weil man bei Märchenschlössern schließlich nie so genau wissen kann, wer tatsächlich darin wohnt und weil es eben auch nicht ihr Weg, ihr Abenteuer ist?

Seite 5/6, İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer, bearbeitet von Karoline E. Löffler.

Doch schauen wir uns den Weg genauer an. Ganz so düster, wie oben beschrieben, ist es auf dieser Seite dann nämlich doch nicht. Die Teppichfragmente, die Fulya Gezer in ihrer Collage schon als Weg angelegt hatte, hat Karoline E. Löffler in leuchtendem Rot, durchsetzt mit einem Musterfragment aus der Vorgabe in Schwarz, zusammengefügt und links und rechts umspielen feine Farblinien den Weg, nehmen zu, je weiter wir nach rechts schauen und künden vom nächsten Bild.

In dieser speziellen Ida-Version in der Bearbeitung von Karoline E. Löffler sind diese Seiten 7/8 in meinen Augen der Höhepunkt. Karoline E. Löffler, für die Märchen grundsätzlich eine besondere Rolle in ihrem Leben spielen (siehe auch ihre Selbstbeschreibung hier) und die eine herausragende Märchenillustratorin und immer im Märchenhaften anleihende Künstlerin ist, sehe ich hier höchstselbst als gute Fee den Zauberstab schwingen und mittels Farbe und Form etwas Schicksalswirbel in die Bude bringen! Besonders gut gefällt mir in diesem Zusammenhang das feine Punktornament am Ärmelsaum der Zauberhand, dass sich auch auf der ersten Seite im blauen Sprühen gezeigt hat und das Ida zuletzt ihre ganz eigene Musik zuträgt. (Siehe die letzte Seite 15/16!)

Von allen Künstlerinnen, die sich der Weiterbearbeitung des Bilderbuchs İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer bisher angenommen haben, ist Karoline E. Löffler übrigens die einzige, die das musikalische Element in dieser Geschichte aufgreift.

Tatsächlich ist die Geschichte Idas für die Autorin/Künstlerin Fulya Gezer in der Entstehung ganz stark mit der Musik Ludwig van Beethovens verbunden gewesen. Daher stammt auch das Notenpapier, aus welchem Ida und manche anderen Collagenelemente entnommen sind. Karoline E. Löffler ist das offensichtlich nicht entgangen und so spielt das Gramophon, wild, laut und fröhlich in wirbelnden Punktlinien, als Ida am Ziel ihres Weges auf einen Freund trifft. Bestimmt werden die beiden gleich gemeinsam von den Seiten und in die Zukunft tanzen!

Liebe Karoline, vielen Dank für deine funkel-fantastische Interpretation von İDA’NIN YOLU / IDAS WEG! It’s been pure magic!

Allen, die jetzt mehr sehen möchten von Karoline E. Löffler, sei dringend ihr Bilderadventskalender WINTERSCHLOSS (erschienen hier im Eichhhörnchenverlag) sowie ihr im November erscheinendes Bilderbuch KLEINER LÖWE WILLIAM ans Herz gelegt!

Außerdem empfehlen wir euch ihren wunderbaren Instagram-Kanal! Dort bleibt ihr auch über ihre sonstigen Projekte zum Beispiel aus dem Bereich des Produktdesigns und mit anderen Verlagen auf dem Laufenden!

Wer speziell über Karoline E. Löfflers Meisterschaft in der Märchenillustration mehr erfahren möchte, sollte außerdem einmal bei den Kolleg*innen vom Verlag Bibliothek der Provinz vorbeischauen. Dort findet ihr ihn fantastischer Bearbeitung Das Märchen von dem Baron von Hüpfenstich.

Das Mitmachbilderbuch İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer gibt es selbstverständlich auch zu kaufen, damit ihr euren eigenen Zauber wirken könnt! Hier im Verlagsshop (siehe unten) oder in der Buchhandlung eures Vertrauens. Es ist das perfekte Bilderbuch für alle, die schöne und leicht-philosophische Geschichten und Bilder lieben und die Lust haben selbst zu gestalten sowie für alle, die etwas Abwechslung vom Corona-Blues gut vertragen können.

Wir wünschen euch allen und euren lieben, dass ihr wohlauf seid. Passt auf euch auf!

İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer ist eine leichte, spielerisch-philosophische Geschichte auf Türkisch und Deutsch, die dazu ermuntert, sich selbst zu vertrauen. Es ist außerdem ein Mitmachbuch, das auf allen Seiten viel Platz lässt, um selbst kreativ zu werden. Es darf nach Herzenslust gezeichnet, gemalt und geklebt, Idas Weg weiter gestaltet und den eigenen Ideen und Wünschen nachgespürt werden!

Der Eichhörnchenverlag hat einige Künstler*innen gebeten, Ihre persönliche Vision von Idas Weg zu gestalten. Die Ergebnisse stellen wir euch in der Serie „Idas vielgestaltige Wege“ vor.

Victoria Hohmann mit ihrem Exemplar des Bilderbuchs İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fuly Gezer. Foto: (c) Victoria Hohmann.

Text-based Art. So nennt Victoria Hohmann selbst ihre Kunst. Frei bedient sie sich bei verschiedensten Sprachen in Wort und Bild, nimmt Elemente von konkreter Poesie bis abstrakter Malerei und formt daraus Bilder – Wort-Bild-Collagen -, die formell einfach konstruiert scheinen, dabei aber inhaltlich weit in die Tiefe fassen. Jedes Teil sitzt. Jedes Teil bedeutet.

Ein wichtiges Gestaltungsmittel ist für Victoria Hohmann ihre Schreibmaschine, mit der sie Buchstaben und ganze Wort frei auf der Fläche des Blattes verteilt. Gleichfalls wichtig ist ihr die Wahl des Materials, oft des Papiers, auf welchem sie arbeitet. Sie selbst sagt in einem ihrer YouTube-Videos, dieses Sammeln verschiedener Papiere könnte man auch als Horten bezeichnen. Zu den Themen, die sie bisher künstlerisch umgesetzt hat, gehören Fragen zu Identität, Umweltpolitik, Tagespolitik und Gesellschaftskritik. Manches von alledem findet sich auch in ihrer Version von İDA’NIN YOLU / IDAS WEG.

Nicht vorenthalten wollen wir euch, dass Victoria Hohmann neben ihrer Tätigkeit als freie Künstlerin auch Autorin und Verlegerin ist. Ihr VHV-Verlag gehört zu unseren absoluten Lieblingsverlagen.

Es ist uns eine große Freude, dass Victoria Hohmann sich auf die Bitte eingelassen hat, unser Mitbachbilderbuch İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer in ihrer besonderen Sprache zu interpretieren. Das Ergebnis könnt ihr im Folgenden bestaunen!

Idas Geschichte beginnt mit einer Walnuss und so setzt auch die Künstlerin ihre Gestaltung auf Seite 1 bei der Walnuss an. Das türkische Wort “ceviz” (Walnuss) setzt sie per Schreibmaschine auf ein braunes Stück (Pack-)Papier, das sie in die Form einer Nuss reißt. Mit dem Bleistift kommen noch einige Linien hinzu, die an die Struktur der Schale erinnern. Das Wort wird ins Bild gesetzt.

Mit dem deutschen Wort Walnuss beginnt sie ein lautmalerisches Spiel. Die “wahlnuss” entsteht, die Idas Entscheidung zum Aufbruch in die Geschichte markiert. Zwei weitere neue Worte finden sich im Bild. Das Wort “ööööde”, dass das “ö” so sehr dehnt, dass man die Zähigkeit des Zeitflusses förmlich spüren kann und das die alltägliche Langeweile Idas markiert sowie das Wort “peanuts”. Der Anglizismus “peanuts” meint Kleinigkeiten von geringer Bedeutung. Wenn man der üblichen Leserichtung von oben nach unten folgt, entpuppt sich diese “peanut”, die auf die anfängliche “ööööde” folgt, aber dann doch als gar nicht ganz so unbedeutende “wahlnuss”. 😉

Beachtenswert ist auch das weiße Papier mit den schwarzen Farbspuren, aus welchem Victoria Hohmann neue Stämme für Idas Wald collagiert hat. Ich frage mich, ob die schwarze Farbe wohl mittels Frottage auf das Papier gelangt ist und wenn ja, ob die Struktur einer Baumrinde durchgerieben wurde.

Im Bild auf Seite 2 scheint zunächst gar nicht so viel verändert, aber dann offenbart sich doch ein Rufen. Wer ruft dort nach Ida? Ist es der Wald? Die Freiheit? Das Abenteuer? Ich fühle mich an den Chor in der griechischen Tragödie erinnert…

Auf der folgenden Seite verzichten die Ergänzungen auf Wortelemente. Dafür tauchen wiederum neue Bäume auf. Dieses Mal werden die Baumkronen von einem geometrischen Muster geformt.

Geometrische Muster sind ein übliches Gestaltungsmittel der islamischen Kunst, in welcher vielerorts figürliche Darstellungen vermieden werden. Dies gilt insbesondere für Darstellungen Allahs und Mohammeds. In diesem Zusammenhang hat sich in der islamischen Kunst eine Vielfalt faszinierender mathematisch komplexer geometrischer Ornamente entwickelt. Ob es sich bei dem hier verwendeten Musterausschnitt tatsächlich um ein im Kontext islamischer Kunst entstandenes Ornament handelt, kann ich zwar nicht beurteilen, ich denke aber, ohne Zweifel steht es hier als Hinweis auf die islamischen Anteile türkischer Kultur.

Teile eines Baumstammes auf Seite 3 werden von Ausschnitten einer Fotografie unserer Erde gebildet. Das Blau des Planeten vor dem tiefen Schwarz des Alls korrespondiert mit den Farben im Bild auf Seite 4, wo ein blauer (erdgebundener) Baum sich vor dem schwarzen Nachthimmel abhebt. Ein gelungenes Farbspiel, das außerdem an einige andere Arbeiten Victoria Hohmanns erinnert, in welchen sie sich damit auseinandersetzt, wie wir mit unserer Umwelt und unserem Planeten umgehen. Auch in diesen Arbeiten greift sie auf ganz unterschiedliche Weise auf Darstellungen von Bäumen und des Planeten Erde zurück. Ganz aktuell kann man auf Instagram beobachten, wie sie unter dem Titel “Spuren intelligenten Lebens” mit dem Material Erde arbeitet. (Follow-Empfehlung!)

Auf den Seiten 5 und 6 bedient sich die Künstlerin wiederum an den vorgefundenen Farben (vornehmlich schwarz und rot) und setzt diese auch in ihren Ergänzungen um. Dieses Vorgehen, lässt sich von hier an auf allen folgenden Seiten deutlich beobachten. Auch die geometrischen Muster von den Vorgängerseiten kommen in loser Streuung noch einmal vor. Dieses kleine referenzielle Intermezzo läuft sich hier allerdings aus. Das Wort “orman” (Wald) wird hervorgehoben und der endlich vollzogene Beginn der Reise wird mit dem Wort “unterwegs” markiert, dass ebenfalls dem Text entnommen ist.

Auf der Seite 5 beginnt Victoria Hohmann mittels ihrer ergänzten Textfragmente auch eine neue Erzählebene einzuflechten, die ich als eine Darstellung der mentalen Prozesse Idas interpretiere. Hier lese ich ein langes “ooooh”, dass mir ein Ausdruck von Staunen und Wundern zu sein scheint. Auf Seite 7, wo Ida vor eine Wahl gestellt wird, mäandert das Wort “oder”. Auf Seite 11 werden “idas ideen” als Teil ihres Weges ins Bild gesetzt.

Meine persönlichen absoluten Lieblingsseiten in Victoria Hohmanns Version von İDA’NIN YOLU / IDAS WEG sind aber die Seiten 13/14. Gar nicht unbedingt wegen des wunderbaren Eichhörnchens, was ich natürlich als herzlichen Gruß an den Eichhörnchenverlag verstehe (Vielen Dank dafür! 🙂 ), sondern weil hier nun wirklich ganz viel Leben drin steckt. Alles ist irgendwie ein wenig aufgeregt, alles kommuniziert. Plötzlich ist es les- und auch fühlbar, dass sich der Konflikt der Geschichte aufgelöst hat und Erleichterung Platz findet. Der Chor der griechischen Tragödie ist wieder da und ruft oder seufzt ein erleichtertes oder überrascht willkommen heißendes “ooooooh ida”. Der Weg, den die Künstlerin auch als “ausweg” und “raus[-]weg” bezeichnet und der in der Geschichte ja auch nur deshalb ein guter Weg für Ida wird, weil sie es schafft ihn neu und ganz eigen zu denken, bricht auch in den Ergänzungen mit allen Vorgaben, indem er erst aus der Lineatur des Papiers und dann sogar ganz von dem Notizpapier ausbricht. Idas Weg, der ein vielstimmiges Eigenleben erhalten hat, flüstert “goldrichtig” und mir scheint das weniger einige Ermunterung für Ida zu sein, sondern vielmehr für uns Betrachter*innen die Benennung einer Tatsache, die Ida längst schon im Gesicht steht und die dann auch in der Materialwahl für den Baum am rechten Bildrand auf Seite 14 visuell umgesetzt ist. Für mich ist das der eigentliche Höhepunkt der Geschichte, die Auflösung des Dramas. Die folgende Einkehr im “Idyll” auf den Seiten 15/16 ist fast schon nur noch Epilog, aber auch hier lohnt es noch einmal genau hinzuschauen.

Der Wunsch-Ort, den Victoria Hohmann für Ida entwirft ist gefüllt mit den schönen Begriffen “träume”, “liebe” und “happy” und damit als freundlicher und angenehmer Ort gekennzeichnet, aber er ist – und das finde ich spannend – auch ein Ort, der immer noch dynamisch ist. Ein Wind scheint durch das Bild zu wehen und an mehreren Stellen finden sich “ideen” bzw. “i mag ination”. Es ist ein Ort der andauernden Entwicklung, in dem geforscht, gespielt und ausprobiert werden kann. Passend dazu wiederholt sich auf Seite 15 immer wieder die Silbe “da” und assoziiert dabei nicht nur das da(sein), also angekommen sein, sondern auch die ständig dekonstruierende, dabei ja aber auch stetig erneuernd-schöpferische Kunstform Dada(ismus).

Zuletzt sei noch auf den Mund hingewiesen, denn er ist ein Beispiel jener Methode, die Victoria Hohmann innerhalb ihrer Text-based Art als Schreibmaschinenmalerei bezeichnet. Eine spannende Form, die mich an die eingangs erwähnte konkrete Poesie, aber auch an Disegno als Theorie über die Zeichnung als unmittelbaren Ausdruck des Geistes über die Hand denken lässt.

Mehr Schreibmaschinenmalerei und überhaupt Kunst von Victoria Hohmann gibt es hier:

Auf ihrer Website: victoriart.de

Auf YouTube

Auf Instagram

Mehr über Victoria Hohmanns Verlag gibt es unter: vhv-verlag.de

Liebe Victoria, vielen Dank für diese Einblicke in deine Interpretation von İDA’NIN YOLU / IDAS WEG, die soviel Anlass zum Staunen, Wundern und Nachdenken gibt! Wir wünschen dir noch viel Freude an deinem einzigartigen Bilderbuch!

Das Mitmachbilderbuch İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer gibt es selbstverständlich auch zu kaufen! Hier im Verlagsshop (siehe unten) oder in der Buchhandlung eures Vertrauens. Es ist das perfekte Bilderbuch für alle, die schöne und leicht-philosophische Geschichten und Bilder lieben und die Lust haben selbst zu gestalten sowie für alle, die etwas Abwechslung vom Corona-Blues gut vertragen können.

Wir wünschen euch allen und euren lieben, dass ihr wohlauf seid. Passt auf euch auf!

İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer ist eine leichte, spielerisch-philosophische Geschichte auf Türkisch und Deutsch, die dazu ermuntert, sich selbst zu vertrauen. Es ist außerdem ein Mitmachbuch, das auf allen Seiten viel Platz lässt, um selbst kreativ zu werden. Es darf nach Herzenslust gezeichnet, gemalt und geklebt, Idas Weg weiter gestaltet und den eigenen Ideen und Wünschen nachgespürt werden!

Der Eichhörnchenverlag hat einige Künstler*innen gebeten, Ihre persönliche Vision von Idas Weg zu gestalten. Die Ergebnisse stellen wir euch in der Serie “Idas vielgestaltige Wege” vor.

Eine der ersten, die ein Exemplar von İDA’NIN YOLU / IDAS WEG für uns gestalteten, war die großartige Künstlerin und Grafikdesignerin Kiri Li und ihren Sohn Rio.

Die beiden haben schon etwas Übung im gemeinsamen Gestalten, wobei sie von der gegenseitigen Freude an den Bildern der/des jeweils anderen getragen werden. Also haben sie ihre liebsten Acryl-Stifte ausgepackt und einfach drauflos gemalt.

Rios frei wirbelnde Linien und Strukturen wurden von Kiri Li aufgegriffen, weitergeführt und auf allerlei Weisen transformiert. Die Verzahnung der so entstandenen Muster und Figuren mit den Bildern Fulya Gezers ist bemerkenswert. Man könnte sagen, die vielen kleinen Samen, die Fulya Gezer in Form der unterschiedlichen Muster, Strukturen und Techniken in ihre Bilder gestreut hat, sind hier voll aufgegangen und treiben die schönsten Blüten. In diesem so neu entstandenen Bilderkosmos hat IDA auch einen großen, leisen und freundlich-neugierigen Freund an ihre Seite bekommen und ich frage mich, ab er wohl bis zum Ziel ihrer Reise bei ihr bleibt?!

Das ganze Ergebnis spricht in jedem Fall von der wilden und freudvollen Kreativität Rios und von Kiri Lis großer Lust an künstlerischem Austausch, dem Spiel mit “fremden” Impulsen und der Notwendigkeit sich auf immer wieder neue Situationen stets aufmerksam und unvoreingenommen einzulassen.

Liebe Kiri, lieber Rio, vielen Dank für diese Einblicke in eure fantastische Interpretation von İDA’NIN YOLU / IDAS WEG! Wir wünschen euch noch viel Freude an eurem einzigartigen Bilderbuch!

Das Mitmachbilderbuch İDA’NIN YOLU / IDAS WEG von Fulya Gezer gibt es selbstverständlich auch zu kaufen! Hier im Verlagsshop (siehe unten) oder in der Buchhandlung eures Vertrauens. Es ist das perfekte Bilderbuch für alle, die schöne und leicht-philosophische Geschichten und Bilder lieben und die Lust haben selbst zu gestalten sowie für alle, die etwas Abwechslung vom Corona-Blues gut vertragen können.

Wir wünschen euch allen und euren lieben, dass ihr wohlauf seid. Passt auf euch auf!